Endlich wieder eine Radtour!

Armin

Camino del Norte

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Der Camino del Norte gehört in Spanien, wie die Via de la Plata und der Camino francés zum Netz der Jakobspilgerwege.
Die Nachricht von der Entdeckung des Grabes von Apostel Jakobus, gegen Ende des ersten Jahrtausends, verbreitete sich über die christlichen Gebiete im Norden Spaniens und allmählich auch im restlichen Europa. Da jedoch der grösste Teil der iberischen Halbinsel von den Mauren besetzt war oder doch zumindest ihre kriegerischen Einfälle erleiden mussten – 924 n. C. wurde Pamplona zerstört, 997 n. C. Santiago de Compostela geplündert – waren die Pilger gezwungen, die unwegsame und anstrengende Strecke an der kantabrischen Küste zurückzulegen.
Beim 855 km langen Küstenweg, der an der französisch-spanischen Grenze beginnt, handelt es sich um den ersten europäischen Jakobsweg. Der Weg durchquert die spanischen Regionen: Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien. Wegen der vielen Höhenunterschiede stellt er hohe Anforderungen an die Wanderer.
Wir werden dem Weg nur ca. 350 km von Gijon nach Bilbao und zwar in entgegengesetzter Richtung folgen. Da es ein ausgesprochener Wanderweg und kein Velowanderweg ist, werden wir uns an die Strassen halten und uns ev. noch einige Rosine herauspicken, die nicht unbedingt am Camino liegen.

Gijon – Bilbao

Gijon – Villaviciosa
31 km, 433 kum. Hm

Montag, 12. Mai 2014
Heute schnupperten wir erstmals an der Nationalstrasse. Sie ist im Vergleich zu den Nationalstrassen, die wir kennen eher schmal und kurvenreich. Keiner der es eilig hat, wird diese Strasse benützen, schon gar nicht die 40 t-Lastwagen.

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Auf der ersten Etappe hat sie sich jedenfalls bewährt. Leider verlaufen Küstenstrassen nicht flach den Sandstrand entlang, sondern sie können echte Herausforderungen sein, wie wir schon in Sardinien und Südwestengland erlebt haben. So auch heute, keuchend und schwitzend bergauf, locker und fröstelnd bergab.
Die unbewohnten Weiten sind Vergangenheit, das Land hier ist viel dichter besiedelt, als z. B. die Extremadura. Stattliche Häuser stehen am Strassenrand, in den Vorgärten gedeiht Gemüse.

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Neben den Wohnhäusern steht auf Pfählen ein quadratischer Speicher, mit freistehender Treppe, so dass Mäuse und Ratten nicht ihr Unwesen treiben können.

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Zum Standard gehören auch ein Zitronenbaum und vor allem Apfelbäume. An der Nordküste steht nicht Wein zuoberst auf der Getränkeliste, sondern Sidra, ein ca. 6 %-tiger Apfelmost.

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Traditionell wird er hier auf eine ganz besondere Weise eingeschenkt. In einem weiten Bogen giesst der Kellner das kühle Nass von der Flasche über den Kopf in das Glas. Zweck der Übung soll sein, dass wie beim Dekantieren des Weines, möglichst viel Sauerstoff in den Apfelmost zu bringen, um so dessen Geschmack zu verbessern. Der Kellner übergibt dem Gast das wenig eingeschenkte Glas direkt in die Hand, der es dann, ohne es abzusetzen oder vorher zuzuprosten, zügig austrinkt. Sollte er es nicht in einem Zug austrinken, schüttet er den Rest in den „Wasserrinne“ entlang der Theke. Wir versuchten dieses Getränk auch, aber ehrlich gesagt, ein Schweizer Ramseier schmeckt uns besser. Armin ass dazu eine „Fabada“ , ein deftiger Eintopf aus dicken, weissen Bohnen, Speck und Würsten. Weisse Bohnen und Apfelmost, und das am Hochzeitstag!
Unser erster Etappenort an der Nordküste war Villaviciosa, ein kleiner, schmucker Ort, an Ende eines Fjordes gelegen. Je nach Gezeiten liegt der Ort am Meer.

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Hier legte im Jahr 1517 das Schiff an, mit dem der junge, spanische Thronfolger aus Flandern kam, um als König Karl I. sein Königreich in Besitz zu nehmen. Zwei Jahre später wurde er als Nachfolger Maximillian I. als deutscher Kaiser unter dem Namen Karl V. gekrönt.

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Villaviciosa – Ribadesella
45 km, 608 kum. Hm

Dienstag, 13. Mai 2014
Eigentlich war der Wetterbericht für den heutigen Tag gut. Doch in der Nacht hatte es geregnet und die letzten Wolken hingen noch über der Bucht. Kaum waren wir startbereit und hatten uns auf die Räder geschwungen, entleerte sich der Himmel erneut über uns. Wasserdicht eingepackt ging es weiter. Nach einer Stunde, als dann alles nass war, verzogen sich die Wolken und es wurde ein sonniger Tag. Wir pickten uns eine Rosine, abseits des Camino heraus und radelten nach Lastres, einem schmucken Fischerdörfchen, in die Felsen der Steilküste gebaut.

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Es wurde eine wunderschöne Etappe, rechts von uns die schroffen Berge, links der nahe Ozean. Wir krochen den Berg hinauf, durch kleine Bergdörfer. Wäre nicht der Atlantik in unmittelbarer Nähe, man hätte sich im Tessin geglaubt.

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Die Ängste, eines Hungertodes zu sterben oder draussen, umgeben von wilden Tieren, zu übernachten, können wir definitiv ablegen. Immer wieder lädt eine Kaffeebar zum Verweilen ein oder ein Hotel preist seine Betten an. Zu den Margriten und Klee am Wegesrand gesellen sich noch gelbe Lilien und wilder Baldrian.

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Wer aber mit der mediterranen Flora verschwunden ist, sind unsere Freunde, die Störche. Nur der Kuckuck ist uns treu geblieben.
Schon kurz nach Mittag hatten wir unser Tagesziel Ribadesella erreicht, ein altes Fischerdorf, in einer Bucht gelegen. Der Ort hat sich zu einem beliebten Touristenort gemausert. Jenseits der Bucht wurde eine schreckliche Retortensiedlung gebaut. Im August soll der Touristenstrom die Einwohnerzahl um ein vielfaches übertreffen.

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Ribadesella – Llanes
30 km, 296 kum. Hm

Mittwoch, 14. Mai
Ein schöner wolkenloser Morgen erwartete uns. Das Thermometer einer Apotheke zeigte lediglich 8° C. Frisch und ausgeruht traten wir in die Pedalen und radelten Richtung Osten, der Sonne entgegen. Ein starker, kalter Gegenwind blies um unsere Ohren und forderte unsere Kräfte. Auf dem schmalen Band zwischen Ozean und Bergen stiessen wir einige Ausrufe der Entzückung aus. Für unseren Znünihalt suchten wir eine Sitzbank oberhalb einer Badebucht aus, im Hintergrund das Rauschen des Meeres.

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Um die nächste Kurve, kaum einen Kilometer weiter, war uns der Blick auf die schneebedeckten Picos de Europa, in Kombination mit Kuhglockengeläut, gegönnt.

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Der Camino kreuzte einige Male die Strasse und wir sind erstaunt, wie viele unentwegte Wanderer und Radfahrer aus allen verschiedenen Ländern auf diesem anspruchsvollen Weg unterwegs sind.

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Zum Glück hatten wir keine lange Etappe geplant, denn der Kraftaufwand gegen den Wind war nicht zu unterschätzen. Ausserdem lohnte sich der Halt in Llanes. Der mittelalterliche Ort gehört mit seinen drei Stränden zu den bekanntesten Badeorten an der asturischen Küste. Die Hauptsehenswürdigkeit sind die „Erinnerungswürfel“ eines baskischen Malers. Im Jahr 2001 hat er am Ende der Hafenmole die grossen Steine wunderbar farbig bemalt.

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Llanes – San Vicente de la Barquera
39 km, 442 kum. Hm

Donnerstag, 15. Mai 2014
Der Tag begann wiederum sonnig, etwas wärmer als am Vortag. Bei der Routenwahl hatten wir so unsere Mühe. Auf unseren Karten war ausser der Nationalstrasse nur eine geplante Autobahn auf dem immer noch schmalen Streifen zwischen Bergen und Meer eingezeichnet. Deshalb hatten wir schon gestern in der Touristeninformation für eine Alternative nachgefragt. Die Dame dort überreichte uns einen Prospekt für den Küstenwander- und Veloweg. Getrost machten wir uns auf den Weg, doch es happerte schon mit dem Einstieg. Im ersten Dorf fragten wir ein zahnloses Mütterchen nach dem Senda costiera. Sie verwies uns auf die kleine Landstrasse, einen anderen Weg gäbe es hier im Dorf nicht. Wir schoben unsere Räder die steile kleine Landstrasse hinauf, bis der gesuchte Weg unsere Strasse kreuzte. Wir begutachteten den Weg und mussten zugeben, ein idealer Wanderweg, aber Radfahren, mit Gepäck und nicht ganz schwindelfrei?

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Nein, wir wollten kein Risiko eingehen. Wir drehten eine Ehrenrunde und kehrten auf die Nationalstrasse zurück. Ausser dem ständigen Kampf gegen den Wind, ging anfangs alles gut, die Autobahn schien gebaut, der Verkehr ruhig. Aber die Autobahn ist noch nicht fertig gebaut. Bald mussten wir die Strasse wieder mit Lastwagen etc. teilen, die kilometerlange Baustelle der Autobahn durchfahren, der Gegenwind blies uns den Staub in die Augen, alles andere als idyllisch! Wir mussten uns derart auf die Strasse konzentrieren, dass wir nicht einmal bemerkten, dass wir Asturien verlassen und Kantabrien erreicht hatten. Eigentlich achteten wir beide sehr genau auf Wegweiser und Strassennummern, trotzdem gelangten wir auf eine Art Autobahn, die wir aber bei der nächsten Ausfahrt wieder verliessen. Prompt nahm uns gleich die Polizei an Ende der Ausfahrt in Empfang und machte uns freundlich darauf aufmerksam, dass dies keine Strasse zum Velofahren sei. Das hatten wir ja auch bemerkt. Warum wohl haben wir die Strasse gleich wieder verlassen? Wenigstens zeigten sie uns die richtige Strasse um nach San Vicente de la Barquera zu kommen. Schliesslich hatten wir nur noch den Kampf gegen den Wind zu gewinnen. Alles in allem, war es eine garstige Etappe. Der freundliche Etappenort konnte schliesslich wieder einiges gutmachen.

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San Vicente de la Barquera – Santillana del Mar
29 km, 457 kum. Hm

Freitag, 16. Mai 2014
Heute Morgen galt der erste Blick aus dem Fenster nicht dem Himmel, sondern den Fahnenstangen Ein erstes Aufatmen unsererseits, die Fahnen hingen schlaff an den Masten herunter. Petrus hatte anscheinend Atemnot, ein Glück für uns. Wenn man auf Meereshöhe übernachtet, gehört es zum Morgentraining erst einmal 150 Hm zu überwinden, um wieder auf das Plateau hinauf zukommen. Als wir dies geschafft hatten, tat sich ein herrlicher Blick vor uns auf. Wir fühlten uns ins Appenzellerland versetzt, nur am Horizont nicht der Bodensee, sondern das kantabrische Meer. Unser Krafteinsatz war denn auch dementsprechend, ein ständiges auf und ab, auf einer Nebenstrasse, die uns allein gehörte. Pflichtbewusst, wie Schweizer Bauern mähten die Bauern das Gras und es roch nach frischem Heu. Ein Blick zurück und die Picos de Europa entfernten sich immer mehr von uns.

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Eine grosse Entschädigung für die garstige Etappe von gestern. Als wir so zügig vorwärts kamen, spielten wir mit dem Gedanken, unserem Tagesziel noch einige Kilometer dazuzugeben. Doch als wir in den Ort Santillana del Mar einfuhren, war es für uns beide klar, hier bleiben wir.
Es heisst, dass dies die Stadt dreier Lügen sei, da sie weder heilig (Santi), noch flach (llana) ist und auch nicht am Meer (del Mar) liegt. Doch wen kümmert das, bei einem so gut aussehenden Lügner. Dieses mittelalterliche Juwel mit seinen hellen, gepflasterten Strassen und den wettergegerbten Fachwerkhäusern, ist so gut erhalten, dass es fast zu schön ist um wahr zu sein.

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Die Menschen hier vererben ihre kostbaren Häuser von Generation zu Generation.

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Santillana del Mar – Santander- Somo
41 km, 421 kum. Hm

Samstag, 17. Mai 2014
Wiederum ein idealer Tag zum Velofahren erwartete uns. Man riet uns, auf der Nationalstrasse nach Santander zu fahren. Doch schon nach einigen Kilometern fanden wir diese Idee nicht gut. Die Gegend ist dichter bewohnt, einiges an Industrie steht am Strassenrand. Der Verkehr war ziemlich rege und am Samstagmorgen müssen die jungen Spanier ihre Ferraris und ihre Mustangs bewegen und hatten den Bleifuss auf dem Gas. Bald fanden wir eine Alternative über die verschiedenen Streusiedelungen fernab von der Hauptstrasse. Der Bäcker lieferte gerade die Brote an die verschiedenen Haushalte. Auch wir bekamen etwas ab, mit einem grossen und breiten Lachen schenkte er uns einen Beutel „Trockenfutter“. Bald waren aber unsere schönen Zeiten vorbei und wir mussten zurück auf die Hauptstrasse und die letzten 15 km im regen Verkehr möglichst schnell hinter uns zu bringen. Nach der letzten Steigung, die es in sich hatte sahen wir bereits auf Santander herunter.
Santander wurde im Jahr 1941 von einer Feuersbrunst fast gänzlich zerstört und danach als elegante Stadt im einheitlichen Stil wieder aufgebaut. Heute ist Santander mit seinen kilometerlangen Stadtstränden und seiner idealen Lage am Nordrand einer weiten Bucht einer der elegantesten Badeorte in Nordspanien.
Trotz der Eleganz, uns gelüstete es nicht zum Verweilen. Sicher hätte es ein paar lauschige Ecken gegeben, wo man die Seele hätte baumeln lassen können. Aber das Gedränge in der Fussgängerzone und der stockende Autoverkehr gingen uns dermassen auf die Nerven, dass es uns weiterzog. Wir nahmen uns nicht einmal die Zeit, nach einem Luxusschiff Ausschau zu halten, das uns nach Hamburg gebracht hätte. Tja, beim Radeln wird man manchmal von den verrücktesten Ideen überfallen.

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Wir gaben uns mit der kleinen Fähre zufrieden, die uns auf die andere Seite der Bucht nach Somo brachte.
Der Ort lebt hauptsächlich vom Wassersport. Armin und ich setzten uns in den Sand, mit Faserpelzjacke und langen Hosen bekleidet, während die Hartgesottenen auf den Wellen ritten oder ihre nackte Haut in den letzten Sonnenstrahlen bräunten.

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Somo – Santona
31 km, 343 kum. Hm

Sonntag, 18. Mai 2014
Sonntag, kurz nach 8:00 h morgens, im Haus neben dem Hotel beginnt der Plattenleger seine Keramikfliesen zu fräsen. Zeit für uns, uns auf die Socken resp. Räder zu machen. Nochmals ein Gang zur Küste und nochmals ein Blick zurück nach Santander im Morgenlicht.

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Der Sonnenschein, die frische Meeresluft und die angenehme Temperatur gaben uns den nötigen Schwung, um die vor uns liegenden Hügel zu überqueren.

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Locker kamen wir kurz nach Mittag in Santona an. Der Ort ist ebenfalls schön in einer Bucht gelegen. Ausser einem langen Sandstrand bietet der Ort nicht viel Sehenswertes. So haben wir nach einer Dusche ein gutes Mittagsmahl genossen, sind an der Uferpromenade flaniert und uns für die nächste Etappe vorbereitet.

Santona – Castro Urdiales
32 km, 420 kum. Hm

Montag, 15. Mai 2014
Schon vor Tagen kündigte Meteo Spanien für heute Regen an, doch es blieb bei wechselnder Bewölkung.
Für die letzten zwei Radetappen wurde uns von verschiedenen Seiten, bezüglich Höhenmeter, die Hölle heiss gemacht. Aber als erstes liessen wir uns von einer kleinen Personenfähre über die Bucht nach Laredo übersetzen.

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Diese setzte uns mitten im Sandstrand ab, sodass wir einmal mehr mit vereinten Kräften Velo um Velo durch den Sand an den Strassenrand schieben mussten.

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Das touristische Laredo liegt auf einer ca. 3 km langen Landzunge, von Sandstrand umgeben. Zwei Einbahnstrassen führen durch die Wohnblöcke. Leere Wohnungen, eine Geisterstadt – Ferienwohnungen oder Opfer der Finanzkrise, oder beides?

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Als dieser fürchterliche Ort hinter uns lag, brachten zwei steile Anstiege uns ganz schön ins Schwitzen. Die nahe Autobahn entlastete unsere Strasse stark und wir mussten sie nur mit einigen Pilgern teilen.
Erstaunlich schnell erreichten wir Castro Urdiales, ein Ort der einen Besuch wert war. Der Hafen und das Gewirr schmaler Gassen, die das mittelalterliche Zentrum von Castro Urdiales bilden, werden von der stolzen, gotischen Kirche überragt. Die Kirche teilt sich die kleine Landzunge mit den Ruinen dessen, was Jahrhunderte lang die Verteidigungsanlage der Stadt darstellte und heute nur noch als Sockel für den Leuchtturm dient.

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Während wir im Trockenen den Rückflug in die Schweiz buchten, entleerte sich ein gewaltiges Gewitter über Castro Urdiales.

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Castro Urdiales – Bilbao
41 km, 579 kum. Hm

Dienstag, 20. Mai 2014
Heute starteten wir auf unsere letzte Etappe unserer diesjährigen Velotour durch Spanien. Die Gewitterwolken hatten sich verzogen und trotz schlechter Prognosen, schien es ein schöner Tag zu werden. Wir wussten es im Voraus, heute werden wir gefordert. Nach der Übernachtung auf Meereshöhe gleich wieder der übliche Aufstieg, nur etwas steiler und etwas länger, weitere folgten.

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Wiederum teilten wir die Strasse nur mit einigen Pilgern, die uns schon früh entgegenkamen. Auf der letzten Passhöhe in Kantabrien setzten wir uns in einer Kaffeebar an die Sonne, stolz auf unsere Leistung, und lobten die friedliche Strasse. Wenige Kilometer weiter, bereits im Baskenland, war es mit dem Frieden endgültig vorbei. Die Umgebung von Bilbao ist geprägt von der Eisen- und Stahlindustrie. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich wegen des in der Nähe abgebauten, hervorragenden Eisenerzes eine leistungsfähige Stahlindustrie, deren Bedeutung erst in den 1970er Jahren zurückgegangen ist. Schon im ersten Ort ragten die Hochkamine in den Himmel, der Verkehr wurde immer reger und unangenehmer. In der Region um Bilbao leben ca. 1 Million Menschen, deshalb war es keine einfache Sache, wirklich ruhige Nebenstrassen zu finden.

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Doch einige Kilometer vor Bilbao gelangten wir auf den Pilgerweg, eine ausgediente, asphaltierte Strasse, entlang des Rios Nervion, der uns fast bis an Ziel führte. Bilbao selbst verfügt über ein ausgesprochen gutes Fahrradwegnetz. Mit ruhigem Puls und normalen Adrenalinspiegel erreichten wir nach 1350 km und 12 444 Höhenmetern unser Ziel Bilbao.

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Müde, zufrieden und dankbar für die unfallfreie und fast pannenfreie Veloreise sanken wir ins Bett und gleich in den Tiefschlaf.

Bilbao

21. – 23. Mai 2014

In unseren Köpfen herrschte die Meinung, Bilbao sei eine triste, öde Industriestadt, die ausser dem berühmten Guggenheim-Museum nicht viel zu bieten habe.

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Aber schon bei unserer Ankunft mussten wir unsere Meinung rasch revidieren. Es ist eine vitale, vibrierende, kulturell dynamische und doch irgendwie eine stressfreie Stadt. Die Hauptstadt des Baskenlandes liegt schön eingebettet in den grünen Bergen des „Pais Vasco“, ungefähr 20 km vom Meer entfernt.

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In der Mitte durchschneidet der „Ria de Bilbao“, der Kanal des Flusses Nervion, die Stadt.

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Man merkt es schnell, die Stadt hat gute Zeiten hinter sich. Prachtvolle Parks, Grünanlagen, grosszügige Uferpromenaden dem Kanal entlang, elegante Einkaufsstrassen, Häuser mit vornehmer Architektur, Museen und eine gemütliche Altstadt mit unzähligen Tapas-Bars zeichnen die Stadt aus.

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Hier wird nicht spanisch, sondern baskisch gesprochen. Diese Sprache gilt als eine der ältesten und merkwürdigsten Sprachen Europas, die keinerlei Verbindung zur indoeuropäischen Sprachfamilie aufweist. Im Mittelalter wurden die umliegenden Provinzen, wie Kantabrien romanisiert. Aber die nationalistischen Basken wehrten sich stets mit Erfolg für ihre Eigenständigkeit. Dem baskischen Nationalismus liegt zu Grunde, dass das baskische Volk von seiner Identität und kulturellen Einzigartigkeit überzeugt ist.

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Nur während der Franco-Zeit wurde die baskische Sprache unterdrückt, konnte aber schliesslich zu einer Amtssprache Spaniens avancieren. Zwar führten Francos Repressionen dazu, dass viele ältere Basken ihre Muttersprache nicht mehr sprechen können, doch heute wählt eine wachsende Zahl junger Basken ganz bewusst Baskisch als Ausdruck einer eigenen Identität.

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Nun blicken wir zurück auf 5 ½ Wochen Velofahren von Süden nach Norden und weiter Richtung Osten in Spanien, meistens bei Sonnenschein, nur drei Mal wurden wir verregnet, aber bei kühlen Temperaturen. Die Faserpelzjacke war unsere ständige Begleiterin. Die kurzen Hosen hätten wir getrost zu Hause lassen können. Auf dieser Reise wurden wir von den Kaltduschern zu den Warmduschern. Wiederum hatten wir viel Glück bezüglich Unfällen und Pannen. Wir wurden nie von Wildschweinherden überfallen. Dieses Mal bringen wir wieder alle Velohosen nach Hause zurück. Die liegengebliebene Trinkflasche geht auf meine Kosten. Die Hotelschlüssel haben wir immer abgegeben und mussten deswegen keine Spezialeinsätze tätigen.
Auf der ganzen Reise waren die Leute immer freundlich und hilfsbereit, zeigten uns gerne den Weg und wünschten uns „buen camino“ oder „buen viaje“. Besonders Richtung Santiago de Compostela wird man mit sehr viel Respekt behandelt. Ja, wir Schweizer könnten noch viel lernen, auch bezüglich Sauberkeit! Oft fragten wir uns, gehen Schweizer Politiker eigentlich nie ins Ausland in die Ferien und halten die Augen offen oder besuchen sie nur „5 Sterne-Retortenanlagen“, wo es Rösti mit Bratwurst gibt?
Wir hatten auch dieses Mal wieder einige Begegnungen, die uns beeindruckten, so der 77 jährige, frische Franzose, der auf dem Camino del Norte nach Santiago de Compostela marschiert oder der Österreicher, der 19 Operationen hinter sich hat, 27 Monate im Krankenhaus lag und nun mit einem neuen Herzen in der Brust nach Santiago pilgert, oder Jean-Paul, den wir auf der Via de la Plata getroffen haben. Mit ihm haben wir einige Male SMS ausgetauscht, er dürfte Santiago am 23. Mai erreichen. Auf beiden Pilgerwegen waren erstaunlich viele Frauen alleine unterwegs. Hut ab! Unter den Velofahrern waren sehr viele Iren und Briten, mit etlichen Jahrringen. Sie kommen von Südengland mit der Fähre nach Nordspanien.
Nun kehren wir wieder mit vielen positiven Erfahrungen und Eindrücken nach Hause zurück.

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Und wenn Armin das Wort „Carreterra“ richtig aussprechen und deuten kann, lade ich ihn ein, in ein wunderschönes Parador-Hotel in Spanien. Das Wort bedeutet „Landstrasse“ und ist keine Ortschaft und schon gar keine Carretta!

Armin

Salamanca – Gijon

Salamanca
Montag, 5. Mai 2014

Kurzfristig änderten wir unser Programm und blieben eine weitere Nacht in Salamanca, denn Besuch aus der Schweiz hatte sich angemeldet. Gertrud und Fredy aus Pfäffikon, beides passionierte Tourenradfahrer, sind mit VW-Bus und Velos in Spanien unterwegs. Dieses Treffen war eine grosse Bereicherung für unser gemeinsames Hobby und unsere Freundschaft. Fredy war vor vier Jahren, ebenfalls als Einstieg in den neuen Lebensabschnitt, mit dem Velo von Pfäffikon nach Santiago de Compostela unterwegs (allerdings etwas schneller als wir) und gab uns vor 2 Jahren einige gute Tipps auf den Weg. Schon letzten Sommer betätigte sich Fredy für Twerenbold Veloreisen als Tourenbegleiter. Jetzt schlagen wir ganz heftig auf die Werbetrommel. Im Juli wird er für die gleiche Gesellschaft die Radtouren von Berlin nach Hamburg begleiten. Wer Interesse hat, soll sich schnellstens anmelden, wir können ihn als Tourenleiter wärmstens empfehlen.
Vorbildlich parkten Gertrud und Fredy ihren VW-Bus etwas ausserhalb von Salamanca und kamen per Velo in die Stadt. Pünktlich trafen sie auf der Plaza Mayor ein.

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Es gab vieles zu erzählen, zu plaudern und zu lachen. Die Zeit verging bei Essen und Trinken viel zu schnell und es hiess wieder Abschied zu nehmen. Sie fahren Richtung Süden, wir Richtung Norden.

Salamanca – Zamora
66 km, 317 kum. Hm

Dienstag, 6. Mai 2014

Gut ausgeruht und mit frischem Elan machten wir uns früh auf den Weg. Da der Camino fast auf der ganzen Etappe, entweder links oder rechts der Nationalstrasse entlang verläuft, hatten wir nicht die Qual der Wahl, wir wählten die Strasse. Nachdem wir alle Autobahnverteiler hinter uns hatten, senkten sich Adrenalinspiegel und Puls, denn die Strasse gehörte uns allein. Die Landschaft bot nicht viel besonderes, auf beiden Seiten der Strasse unendliche Weizenfelder mit riesigen Bewässerungsanlagen, zur Auflockerung ab und zu ein kleiner Steineichenwald mit bunten Blumen.

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Der Himmel war bedeckt, jedoch weder Regen noch Wind. Also eine gute Etappe um einige Kilometer locker herunter zu strampeln. Kurz vor Zamora wurde dann die sonst so gemütliche Nationalstrasse zur vierspurigen Autostrasse. Ausser Meilis kommt es keinem vernünftigen Radfahrer in den Sinn, auf einer solchen Strasse in die Stadt zu fahren. Adrenalinspiegel und Puls waren zum zweiten Mal an diesem Tag am oberen Limit. Anständige Pilger erreichen das Stadtzentrum über die alte Römerbrücke und nicht wie gehetzt über die moderne Brücke.

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Zamora liegt am Rio Duero, dessen Tal uns auf der letzten Reise in Portugal mit seiner Schönheit so begeistert hatte. Zamora ist eine angenehme, überschaubare Stadt, die im Hochmittelalter ihre Blütezeit erlebte. Aus dieser Zeitepoche wurden viele Baudenkmäler im romanischen Stil bewahrt, weshalb die Stadt auch „Museum der Romanik“ genannt wird.

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Die Prozessionen der Karwoche sind berühmt für die Originalität und den künstlerischen Wert der Prozessionsfiguren. Aber das Ambiente ist keinesfalls mit dem Volksfestcharakter in Sevilla zu vergleichen.

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Zamora – Benavente
66 km, 422 kum. Hm

Mittwoch, 7. Mai

Wir mussten Zamora auf der gleichen vierspurigen Autostrasse wieder verlassen, nur, der Autostrasse entlang führte eine Servicestrasse, die unser Leben um einiges vereinfachte. (Fahrberechtig sind nur Traktoren und Fahrräder) Wie üblich hofften wir auf eine ruhige Nationalstrasse, sobald die Autobahnverteiler hinter uns lagen. Es wurde uns erst später bewusst, dass die verkehrsentlastende Autobahn zwischen Zamora und Benavente fehlt. Es wird jedoch eifrig daran gebaut. Es blieb uns nichts anderes übrig, als die Nationalstrasse mit den vielen Lastwagen und dem restlichen Verkehr zu teilen. Nach 20 km hatten wir schliesslich genug vom Getöse der Vierzigtönner und beschlossen ab Montemarta reumütig dem Camino zu folgen. Doch der stark gefüllte Stausee Ricobayo schlug uns ein Schnippchen. Wir hatten weder Schwimmflossen noch Padels dabei.

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So mussten wir wohl oder übel in den sauren Apfel beissen und zurück auf die Nationalstrasse. Ein weiterer Versuch auf dem Camino vorwärtszukommen, scheiterte einige Kilometer weiter, erneut. Der Schotterweg war so lose, dass unsere Räder einsanken.

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In Granja de Moreruela hielten wir schliesslich Mittagsrast. Der Morgen hatte an unseren Kräften gezehrt. Hier teilen sich zum ersten Mal die Jakobswege, der Mozarabische führt direkt nach Santiago de Compostela, der Sanabrische führt über Benavente nach Astorga, wo er in den Camino francés mündet.

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Wir aber folgen der Römerstrasse, die ebenfalls über Astorga ans Meer führt. Die Fahrt auf der Nationalstrasse machte uns durstig. Der Barbesitzer, wo wir unseren Durst stillten, gab uns einen guten Tipp, wie wir unseren Weg nach Benavente, ohne Nationalstrasse, abkürzen könnten. Ab Barcial del Barco gäbe es eine Via verde, die direkt nach Benavente führe. In Spanien sind die Vias verdes ausgediente Eisenbahntrassees, die zu Velo- und Wanderwegen umfunktioniert wurden. Was konnte uns besseres geschehen! Wir freuten uns auf einen gemütlichen Abschluss der hektischen Etappe. Im besagten Ort angekommen, hielten wir Ausschau nach der alten Eisenbahnlinie. Wir fanden sie auch, aber die „Via“ war mehr als „verde“. Schienen, Bahnschwellen, Schotter, Gras, unmöglich darauf zu wandern, verschwiegen denn zu radeln. Erneut folgten wir dem gut bezeichneten Camino, doch die Idee war nicht so gut, gab es doch wieder einige Schiebeaktionen. Schliesslich mussten wir über die alte Eisenbahnbrücke den Rio Esla überqueren, das heisst, erst mussten wir mit vereinten Kräften die Räder auf einem kleinen Trampelpfad zum Bahndamm hinaufschieben. Die Brücke war mehr als ausgedient, am Boden fehlten einige Blechteile.

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Nach dieser wildromantischen Aktion und einigen Kilometern auf einem holprigen Waldweg kam schliesslich Benavente in Sichtweite.

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Benavente – Astorga
63 km, 348 kum. Hm

Donnerstag, 8. Mai 2014

Heute schwuren wir uns, wir verlassen die Nationalstrasse nicht, keine Schotterpisten, keine wildromantischen Eisenbahnbrücken mit fehlendem Boden, keine „Vias verdes“ etc. Auf dieser Strecke gibt es wieder eine Autobahn die die Nationalstrasse entlastet. Wir hielten uns an unseren Vorsatz und kamen zügig voran.

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Der Norden ist wieder etwas dichter besiedelt und wir kamen an einigen Dörfern vorbei. Bemerkenswert in den Dörfern sind die Bodegas, erdhausähnliche Weinkeller. Es sieht kurios aus, wie die Hügel durchlöchert sind und oben Schornsteine und Belüftungsschächte herausschauen. Die Bodegas dienen der Weinlagerung und anderseits dazu, Feste zu feiern, denn im Sommer ist es im Innern kühl und im Winter warm.

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Kurz vor Astorga kamen die schneebedeckten Gipfel des kantabrischen Gebirges im Westen und im Norden bedrohlich näher.

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Die Natur wurde wieder etwas wilder, die Steineichen nahmen vermehrt wieder den Platz der Weizenfelder ein. Astorga liegt noch auf 870 m ü. M. und ist auf dem Camino francés das Tor zur Königsetappe über das 1500 m hohe Cruz de Ferro. Wir hoffen, unsere unfähigen Vorgesetzten aus unserem Erwerbsleben ruhen immer noch in Frieden beim eisernen Kreuz unter dem Steinhaufen! Vor zwei Jahren haben wir sie dort begraben und aus unserer Erinnerung weg gewischt. Als wir im Ort eintrudelten, staunten wir nicht schlecht, wie viele Rad- und Fusspilger unterwegs waren. Unverkennbar, die Fusspilger mit ihren nackten Füssen in den „Ecco Jerusalem“-Schuhen (Sandalen), denn nach dem täglichen Fussmarsch brauchen die Füsse Luft. Wir waren zufrieden, als wir sahen, dass Astorgas Wahrzeichen, der Pero Mato, immer noch munter vom Dach der Kathedrale herunterschaut.

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Astorga – Leon
59 km, 440 kum. Hm

Freitag, 9. Mai 2014

Wir genossen das schöne Hotel und das gute Essen in Astorga denn beides hat unsere Lebensgeister wach gerüttelt. Geweckt haben uns aber auch die Pilger, die morgens um 6:00 h das Hotel verliessen um Richtung Cruz de Ferro aufzubrechen. Für die Etappe Astorga – Leon machten wir uns keine grossen Sorgen, schliesslich liegt diese Strecke auf dem Camino francés und diese Strecke fuhren wir schon vor zwei Jahren, nur in entgegengesetzter Richtung. Wir hatten keine näheren Unterlagen über den Weg mit uns, deshalb hielten wir uns an die bewährte Nationalstrasse. Doch die Euphorie war nach 10 km schon vorbei. Ist die Autobahn kostenpflichtig, weichen die Lastwagen auf die Nationalstrasse aus. Auf einigen Kilometern führt die uralte Nationalstrasse als Camino francés parallel zur Schnellstrasse. Es hätte einige Verbindungen gegeben um auf den asphaltierten Pilgerweg auszuweichen, aber Chef Meili hielt stur den Kopf hinunter und pedalte wie gestört auf der starkbefahrenen Strasse. Erst als ich lautstark intervenierte, erwachte er und bemühte sich, die Strasse zu wechseln.
Kein einfaches Unterfangen, den Jakobsweg in Gegenrichtung zu fahren. Die Einheimischen glaubten wohl, wir wären nicht ganz bei Sinnen. Jeder wollte uns korrigieren und uns in die Gegenrichtung schicken. Manchmal mussten wir drei Mal erklären, dass unser Ziel Leon ist und nicht Santiago de Compostela. Manche hatten dann nur noch ein Kopfschütteln für uns übrig. Über kleine Landstrassen fuhren wir von Dorf zu Dorf, wo wir uns immer wieder neu orientieren mussten, eine wahre Erholung nach drei „Gümmelertagen“ auf der Nationalstrasse.

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Einige Plätze riefen wieder einige Erinnerungen wach an den Weg im 2012. Was auf der Via de la Plata nicht anzutreffen war, mangels Ortschaften, sind die vielen gemütlichen Kaffeebars, wo die Pilgern innehalten, etwas trinken, sich austauschen oder von ihren „Wehwechen“ erzählen. Den einen plagen Blasen, den anderen geschwollene Knöchel, wegen Überbelastung. Im nächsten Leben eröffne ich eine Apotheke am Jakobsweg.

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Leon, mit der gigantischen Kathedrale, ist auch eine alte Bekannte von uns.

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Trotzdem entschlossen wir uns, zwei Nächte hier zu verweilen und uns einige Gedanken über die Weiterreise zu machen, denn das kantabrische Gebirge mit vielen Höhenmetern liegt vor uns. Wir liessen uns belehren, dass die Via de la Plata eigentlich in Astorga endet, der Abschnitt von Leon nach Gijon nennt sich Camino El Salvador. Im Tourismusbüro erhielten wir nur spärliche Unterlagen für diesen Streckenabschnitt, deshalb erkundigten wir uns am Busbahnhof für eine Busreise. Aber selbstverständlich können sie die Räder im Bus mitnehmen, einfach Vorderrad demontieren und alles einpacken, meinte die freundliche Dame am Schalter. Wir fragten nach Verpackungsmaterial, aber diese Frage verneinte sie. Zwar haben wir unsere Transbags mit dabei, aber wenn es etwas Einfacheres gäbe, wären wir nicht abgeneigt es anzuschaffen. Wir beschlossen, alles nochmals zu überschlafen.

Leon

Samstag, 10. Mai

Wir schliefen über alles und beschlossen, mit dem Bus nach Gijon weiterzureisen. Was wollen wir uns am Gebirge zu Tode schuften, womöglich noch von einer Wildschweinherde überfallen werden oder draussen zu übernachten, weil unsere Kräfte am Ende sind und wir es nicht mehr zur nächsten Herberge schaffen oder gar des Hungertodes sterben?
Nach dem Morgenessen machten wir uns auf zum Busbahnhof um die Tickets für die Weiterreise am Sonntag zu kaufen. Ein emsiges Treiben herrschte am Busbahnhof, Pilger, die abreisten, Pilger, die ankamen.

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Am Billettschalter stand ein Spanier, dem eine schwarze Tasche durch den schmalen Schlitz gereicht wurde. Interessiert beobachteten wir den Mann, was er wohl mit dieser Tasche anstellen würde – und siehe da, er ging zu seinem Velo und wollte es gleich verpacken. Wir steuerten auf ihn zu und überfielen ihn mit Fragen. Er käme aus Menorca, sei mit dem Velo die Via de la Plata hinauf geradelt, fahre jetzt mit dem Bus nach Barcelona, von dort mit dem Schiff zurück auf die Balearen. Wir halfen ihm beim Einpacken seines Velos und waren überzeugt, solche Taschen kaufen wir auch. Wir buchten unsere Plätze, kauften Taschen und Tickets für die Velos. Wie doch der Zufall spielt, gestern sagte uns die Dame noch, sie hätten keine Veloverpackungen, heute kamen wir gerade zum richtigen Zeitpunkt, um zu sehen wie solche Taschen verkauft werden. Wir dachten zurück an Lagos, in der Algarve, wie wir damals stundenlang herumgerannt sind, um eine Verpackung für unsere Räder zu finden. Damals fanden wir beim Chinesen eine Folie. Zufrieden mit uns selbst, bummelten wir durch die Stadt und den samstäglichen Gemüsemarkt auf der Plaza Mayor, kauften uns 500 g tiefrote, durch gereifte Erdbeeren, genossen diese auf einer Bank, ohne Zwang, alle Sehenswürdigkeiten nochmals anzusehen. Es wurde ein gemütlicher und Gesäss schonender Ruhetag.

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Leon – Gijon
183 km, 4787 kum. Hm (im Autobus)

Sonntag, 11. Mai 2014

Um 11:00 h fuhr unser Bus ab dem Busbahnhof in Leon direkt nach Gijon. Wir standen schon früh am Abfahrtsort, denn wir wollten in aller Ruhe und ohne Stress unsere Räder verpacken. Es war eine einfache Sache und der Buschauffeur war ebenfalls zufrieden mit uns. Wir freuten uns auf die Muttertagsfahrt „im suuber putzte Auto“ und waren gespannt, wie das Gelände sich präsentierte. In
zügigem Tempo fuhren wir erst durch endlose Wälder, dann in die Berge. Auf der Südseite wurden sie immer steiler und schroffer, nur selten waren kleine Siedlungen zu sehen, ab und zu ein Stausee. Eine wunderbare, eindrückliche Landschaft, doch wir waren froh, hatten wir uns für den Autobus entschieden und mussten wir uns an diesen Bergen nicht die Zähne herausbeissen. Als wir auf der Nordseite der Berge, gegen den Atlantik herunterfuhren, hatten wir das Gefühl in einem anderen Land zu sein, ja ev. sogar im Tessin. Saftig grüne Wälder und Wiesen lagen vor uns. Die mediterrane
Flora mit Lavendel, Ginster, Mohn und Eibisch war verschwunden. Ab jetzt gibt es Klee und Margriten am Strassenrand. Die Provinz Castilla y Leon ist Vergangenheit, wir sind in Asturien, auch kleine Schweiz genannt, angekommen. Das Klima nördlich des Gebirgszuges ist nicht zu vergleichen mit den 4 Wochen Sonnenschein und den frühlingshaften oder gar sommerlichen Temperaturen, die wir geniessen konnten. Schon seit einigen Tagen schielten wir immer wieder auf das Wetter in Gijon, keine angenehmen Temperaturen mehr von 24° – 28° C, sondern nur noch 14° C und Wolken, oder gar Regen über dem Golf von Biskaya.
Nach 2 Stunden Fahrt kamen wir um 13:00 h in Gijon an. Armin setzte die Räder speditiv zusammen und wir gingen auf die Suche nach einer Bleibe. Der Mann im Hotel gab uns eine ausgezeichnete Adresse für unser Muttertagsessen an. Nach dem wir in den letzten 4 Wochen hauptsächlich die Früchte der „Tierra“ genossen hatten, wenden wir uns ab jetzt den Früchten des „Mar“ zu.

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In der Stadt Gijon, mit ca. 300 000 Einwohnern, wird Eisen, Stahl und Chemikalien produziert und ist die wichtigste Verladestation für asturische Kohle. Trotz der schweren Industrie haben sich die Stadtväter die Mühe gegeben, das industrielle Antlitz aufzupolieren und haben im Zentrum angenehme Fussgängerzonen, Uferpromenaden, kleine Badebuchten und Parks gebaut. Daneben ist die Stadt so etwas wie eine kleine Partymeile und im Sommer wird ein riesiges Unterhaltungsprogramm auf die Beine gestellt.
Entgegen der Prognosen empfing uns die Stadt mit Sonnenschein, aber ein heftiger Wind blies um unsere Ohren. Die Leute sind dicker eingepackt, als in Leon, das doch noch auf über 800 m ü. M liegt.

Armin

Cacares – Salamanca

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Caceres – Canaveral
45 km, kum. 394 Hm

Montag, 28. April 2014

Die Arbeitsbienen starteten heute in eine neue Arbeitswoche, wir in einen neuen Velotag. Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind hervorragend. Ab und zu schauen wir auf unseren Handys die Wettervoraussichten der Schweiz an und sind dann mehr als zufrieden mit dem Wetter in Spanien, morgens um ca. 12° C, tagsüber um 25 – 27°C und purer Sonnenschein. Zeitig waren unsere Velos bepackt um dem grossen Arbeitsverkehr aus der Stadt zu entkommen. Wir wussten, die Verpflegungs- und die Übernachtungsmöglichkeiten werden auf den nächsten Etappen immer rarer. Deshalb suchten wir nicht erst den Camino, sondern wählten gleich die Strasse. Bald wurde die Landschaft karg, nur noch Schafweiden, grosse verwaschene Felsen, ohne Bäume. Man fühlte sich in die schottischen Highlands versetzt. Gleichmässig traten wir in die Pedalen und meisterten Hügelzug um Hügelzug, bis sich plötzlich der grosse Tajo-Stausee vor uns auftat.

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Der Rio Tajo, der hier gestaut wurde, ist der grösste Fluss auf der iberischen Halbinsel und mündet schliesslich bei Lissabon als Rio Tejo in den atlantischen Ozean. In den verschiedenen kleinen Bächen, die zum Stausee führen, quakten die Frösche, was das Zeug hält. Im Talkessel wurde es brütig warm, langsam können wir wieder an ein leichteres Velotenue denken, doch am Abend ist die Faserpelzjacke immer noch ein „Muss“. Schon früh, bereits um 14:00 h hatten wir unser Ziel, das Bergdorf Canaveral erreicht.

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Seit Tagen war ein kühles Bier, beim Erreichen des Zielortes, ein willkommene Erfrischung.

Canaveral – Carcoboso
40 km, kum. 360 Hm

Dienstag, 29. April 2014
Morgens um 7:00 h hörten wir die ersten Wanderer aus dem Hotel schleichen. Es wurde auch Zeit für uns, uns aus den Federn zu machen. Wiederum bei schönstem Wetter stiegen wir in die Pedale um gleich den nächsten Passübergang zu bezwingen auf die nächste Hochebene.

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Unser Reiseführer bot uns eine gute Alternative über kleine Landstrassen an. Für uns, die wir aus der dichtbesiedelten Schweiz kommen, ist die Weite der Landschaft immer wieder beeindruckend. Kilometerweit kein Haus weit und breit, höchstens eine Schaf- oder Kuhweide. Gemütlich radelten wir durch die Felder, die bereits bewässert werden müssen, unserem Ziel Carcaboso zu. Im Hintergrund naht bedrohlich das kastilische Scheidegebirge mit den schneebedeckten Gipfeln, das wir in den nächsten Tagen überwinden müssen. Schon nach 13:00 h fuhren wir durch die Ziellinie. Die Zimmersuche gestaltete sich heute zum ersten Mal schwieriger. Das einzige Hostal im Dorf war bereits vollbesetzt. Der Hotelbesitzer verwies uns an die Albergue turistico von Senora Elena. Sie hatte für uns noch zwei Betten frei.
Nach den Strapazen der letzten Tage, kam es bei den Gangschaltungen unserer Velos immer häufiger zu Störungen. Deshalb fragte Armin die Senora nach einem Velomechaniker im Dorf. Für die gute Senora gibt es wahrscheinlich ausser der Anzahl der Räder keinen Unterschied zwischen Auto und Fahrrad. Flink verschwand sie mit Hilfe ihres Rollators und Armin über die Strasse, in die nächste Gasse. Der Automechaniker wollte jedoch nichts von Fahrrädern wissen. Armin hatte somit ein abendfüllendes Programm, um die Wechsel selbst zu regulieren, unter dem wachsamen Auge von Senora Elena und einigen überflüssigen Kommentaren von „Grossmaul-Pilgern“. Alle fünf Minuten kreischte es aus ihrem zahnlosen Mund: „Können sie es regulieren?“ Einmal brachte sie einen Lappen um die Hände zu putzen, dann einen Karton, um darauf zu knien oder einen Stuhl zum Sitzen. Am liebsten hätte sie wahrscheinlich die Arbeit selbst erledigt. Es ging ihr eindeutig zu langsam. Beunruhigt gingen wir schliesslich ins Bett. Wir waren nicht sicher, ob die Gangschaltungen der nächsten Etappen standhalten würden.

Carcaboso – Plasencia
15 km, 263 kum. Hm

Mittwoch, 30. April 2014

Am Morgen stand der Entschluss fest. Wir gehen nicht auf Bergetappe, sondern in den ca. 10 km entfernten, grösseren Ort Plasencia, wo es Velogeschäfte geben soll. Wir staunten, ob des regen Verkehrs auf der kleinen Landstrasse. Es gab ja nirgends Häuser, wo kamen denn all die Autos plötzlich her? Schon eingangs der Ortschaft fanden wir ein Velogeschäft, von zwei jungen Männern geführt. Ganz enthusiastisch und ohne lange zu lamentieren, versprachen sie uns, die Räder zu kontrollieren. In einer Stunde würden sie abholbereit sein. Währenddessen bummelten wir durch die Altstadt und suchten uns ein Hotelzimmer. Neu eingestellt und geschmiert, und einer Speiche für Armins Hinterrad, für knappe 20 Euros, konnten wir unsere Räder wieder in Empfang nehmen. Wir waren sicher, dass wir nun guten Mutes die Bergetappe in Angriff nehmen konnten.

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Plasencia – Banos de Montemayor
52 km, 595 kum. Hm

Donnerstag, 1. Mai 2014

Der 1.Mai ist in Spanien ein Feiertag. Deshalb machten wir uns schon früh aus den Federn, um ohne erhöhten Adrenalinspiegel der Stadt zu entkommen. Als wir starteten, schlief Spanien noch, nur Kuckuck und Co. waren wach. Auf der stetig steigenden Nationalstrasse liessen wir die Stadt hinter uns. Nach ca. 12 km erreichten wir die Abzweigung zur Ciudad de Caparra, wo es noch römische Ruinen und einen gut erhaltenen Triumphbogen gibt. Für uns war dieser Triumphbogen sehenswert, weil er ungefähr in der Mitte der Via de la Plata liegt. Wären wir von Carcaboso aus dem Camino gefolgt, wären wir direkt durch den Bogen gefahren. So aber bedeutete es für uns einen grossen Umweg zu fahren. Wir verliessen die Nationalstrasse auf einer kleinen Landstrasse talwärts. Alles was wir an Höhe gewonnen hatten, war bald wieder weg. Innerlich wetterte ich vor mich hin, denn ich wusste, diese Höhenmeter mussten wir hinauf pedalen. Endlich, ca. 10 km von der Abzweigung entfernt, fanden wir diese römische Stadt.

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Wir hatten die Hoffnung schon bald aufgegeben. Es war gerade 10:00 h morgens und eine Dame öffnete den Eingang. Sie überfiel uns gleich mit Fragen über Woher und Wohin, gab uns aber noch einen guten Tipp für eine Alternative zur Nationalstrasse, die auf unseren Karten nicht sichtbar war. Sie wollte uns gleich auch noch für eine Filmvorführung über die Römer animieren. Aber eigentlich wollten wir nur diesen Triumphbogen sehen und nichts erfahren über Schuh- und Kleidergrössen der Römer. Im selben Moment, als der Wortschwall der Dame so auf uns herunter prasselte, kamen nochmals vier Personen, die angeblich eine Studie über die Via de la Plata verfassen. Für sie waren wir ein gefundenes Fressen. Von allen Seiten wurden wir unter dem Triumphbogen fotografiert. Bis unser Fotoshooting vorbei war, standen auf dem Parkplatz bereits drei Reisecars und die Anlage wurde von einem Touristenstrom überrannt.
Der Tipp der Dame für die Alternativstrasse war wirklich gut. Über viele Kilometer fuhren wir wieder allein auf uns gestellt, über die Felder.

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Unseren Znünihalt machten wir auf den Steinen einer kleinen Brücke. Aus dem kleinen Gewässer quakte es lautstark ohne Unterbruch. Delikatessen für die Störche! Schliesslich gab es keinen Ausweg mehr, wir mussten zurück auf die Nationalstrasse und unsere restlichen Höhenmeter wieder zu bezwingen.

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Hunderte von Motorradfahrern brausten uns entgegen. Unserem eigentlichen Tagesziel hängten wir noch 10 km an und erreichten völlig durchschwitzt Banos de Montemayor. Dies ist ein Thermalbadekurort am Südhang des kastilischen Scheidegebirges. Dementsprechend waren wir die jüngsten Gäste im Hotel.

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Banos de Montemayor – Guijuelo
44 km, 843 kum. Hm

Freitag, 2. Mai 2014

Irgendwie kamen wir heute nicht vom Fleck. Ich weckte Armin um 7:30 h aus dem Tiefschlaf. Es schien als hätten wir beide keine Lust für die bevorstehende Bergetappe. Bis wir gefrühstückt und uns mit Proviant eingedeckt hatten, war es bereits 9:30 h. Das Velogremium hatte sich einstimmig für eine Nationalstrasse-Etappe entschieden. Abenteuer über Steine und Bäche lagen nicht drin. Kurve um Kurve krochen wir den Berg hoch. Kurz nach dem Dorf hatten wir die Extremadura verlassen und erreichten die Provinz Castilla y Leon.

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Wir hofften auf eine lockere Talfahrt nach Erreichen der Höhe.
Aber damit war definitiv nichts. Die Strasse drehte nach rechts auf den nächsten Hügel. Es sah aus, als hätten die Strassenbauer immer neue Hügel gefunden, um die Strasse hinauf zubauen. In Bejar glaubten wir, den Zenit erreicht zu haben. Weit gefehlt, erst als wir eine Passhöhe von über 1200 m ü. M. (Sevilla liegt auf 10 m ü. M.) erreicht hatten, konnten wir an rasante Abfahrten denken, wobei uns der heftige Gegenwind immer wieder ausbremste.

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Auf der Passhöhe befanden wir uns auf gleicher Höhe wie die schneebedeckten Gipfeln des kastilischen Gebirges. Unsere Strassenetappe verlief weit entfernt des Caminos. Auf unserer Strassenkarte mündete die Nationalstrasse immer wieder in die Autobahn und wir fragten uns, wo es wohl Fahrgelegenheiten für geben würde. Unsere Bedenken waren umsonst. Parallel zur Autobahn verläuft eine Servicestrasse für Radfahrer und landwirtschaftliche Fahrzeuge.
Total müde erreichten wir Guijuelo und hofften auf eine Unterkunft. Von weitem sieht man, diesem Ort geht’s schweinisch gut. Die Strasse in den Ort ist links und rechts von Fleischfabriken gesäumt. 70 % des Jamon ibericos wird hier hergestellt. Russland kaufte bis vor kurzem Schweinefett hier ein, bis der Bestellungseingang ein abruptes Ende hatte.

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Im Ort gibt es nur ein Hotel, ein Business-Hotel. Wir scheuten keine Kosten, wir waren einfach froh, in einem guten Bett zu schlafen.
Wir waren so auf die Strasse konzentriert, dass wir gar nicht bemerkten, dass die Schneeberge, denen wir so nahe waren, schon weit entfernt im Rücken liegen.

Guijuelo – Salamanca
53 km, 476 kum. Hm

Samstag, 2. Mai 2014

Die typische Landschaft der Region Castilla y Leon ist die Meseta, die Hochebene zwischen 600 und 1000 m ü. M. Diese Höhenlage hat zur Folge, dass es hier erheblich kälter ist, als in den südlichen Regionen. Die Winter sind kalt und auch der Frühling und der Herbst sind nicht mehr so angenehm warm, wie im Süden. Nachtfrost kann es vom Oktober bis Mai geben, die Sommernächte sind kühl, nur im Hochsommer kann es tagsüber höllisch heiss werden, was das kastilische Stichwort begründet „neun Monate Winter, drei Monate Hölle“. Diese Tatsache sollten wir auf der heutigen Etappe zu spüren bekommen. Wir schusterten unseren Weg selbst zusammen, immer noch fernab vom Camino. Wir machten uns früher auf den Weg, als am Vortag. Die Ortschaft Guijuelo liegt immer noch auf gut 1000 m ü. M. und der kalte Gegenwind hatte sich noch nicht gelegt. Es dauerte nicht lange und wir holten unsere Handschuhe aus dem Gepäck. Der Weg führte durch einige kleine Dörfer, die in der frühen Morgenstunde, wie ausgestorben erschienen. Wir fuhren durch Weideland, soweit das Auge reicht, ab und zu ein Weizenfeld oder ein Steineichenwald. Die Kühe schauten uns erstaunt an, als ob wir von einem fremden Planeten kämen. Hier schien es nur heile Welt zu geben, ohne Wirtschaftskrise. Trotz der Hochebene, die Etappe hatte es doch in sich. Hügelzug um Hügelzug forderte uns heraus.

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Langsam verschwanden die Schneeberge ganz in unserem Rücken und plötzlich lag unser Tagesziel Salamanca vor uns. Ein komfortabler Radweg führte uns gleich zur römischen Brücke und somit wieder auf den Camino. Wir wussten auch gleich welches Hotel wir ansteuern würden, das kleine Hostal, gleich neben der Plaza Mayor, wo wir schon vor zwei Jahren wohnten. Wir waren relativ früh dran und hatten es gar nicht eilig.

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Auf der römischen Brücke plauderten wir mit einem deutschen Ehepaar. Wir versprachen, mit den Fahrrädern an Deutschlands Ostküste zu kommen. Ein paar Schritte weiter, vor der Kathedrale, wurden wir von einer deutschen Reisegruppe „überfallen“. Sie hatten uns beim Triumphbogen von Caparra gesehen und gleich wieder erkannt. Wiederum mussten wir Auskunft geben über das Woher und Wohin. Eine Frage lautete: „Was meine ihre Kinder, wenn sie so lange von zu Hause weg sind?“ Ja, was sagen sie wohl? Hier können sie sich äussern! So verging die Zeit rasch und schliesslich schlängelten wir uns durch die Menschenmenge zu unserem Hotel durch. Wir machten lange Gesichter, als der Mann an der Réception uns erleuterte, dass Salamanca über dieses Wochenende (1. – 4. Mai) ausgebucht sei. Logisch, viele Leute haben den „Viadukt“ gemacht. Mit Hilfe des Touristenbüros kamen wir trotzdem noch zu einem Bett in der Nähe des Zentrums. Obwohl wir diese wunderschöne Stadt schon einmal besichtigt hatten, wollten wir zwei Nächte hier verbringen und uns eine kleine Ruhepause gönnen. Armin, der bettelarme Pilger, jammerte dermassen, dass der Hotelier die zweite Nacht fast zum halben Preis vergab.
Nach einer Dusche und einer Ruhepause setzten wir uns in ein Café auf der imposanten Plaza Mayor und beobachteten das Treiben. Die jungen Leute sassen gruppenweise mitten auf dem Platz auf dem Boden und plauderten, festlich gekleidete Leute gingen an uns vorüber.

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Salamanca

Sonntag, 4. Mai

Was wäre Spanien ohne die endlosen Nächte? Ramba Zamba bis in die frühen Morgenstunden! Kaum sind die letzten Nachtschwärmer um 7:00 Uhr morgens verstummt, brummt die Strassenputzmaschine durch die Strassen.
Wir verrissen keine grossen Stricke. Es wurde uns aber bewusst, dass einiges verschwunden ist. Auf den Dorfplätzen oder Stadtparks gibt es keine Orangenbäume mehr, die zu dieser Jahreszeit einen wunderbaren Duft verbreiten. Mit den Orangenbäumen ist auch der frischgepresste Orangensaft von Frühstückstisch verschwunden. Die Olivenbäume sind den Steineichen gewichen und somit gibt es in den Bars zum Getränk keine Oliven mehr, sondern eine Schale Pommes Chips. Einige Störche haben die Überquerung des kastilischen Gebirges geschafft, sind aber nicht mehr so häufig anzutreffen wie in der Extremadura.

Armin

Sevilla – Caceres

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Via de la Plata

Sevilla – Castelblanco de los Arroyes
48 Km, 577 kum. Hm = kumulierte Höhenmeter

Samstag, 19. April 2014

Heute Morgen fiel der Startschuss zur Verwirklichung unseres Traumes „Via de la Plata“. Dieser Name wird heute meist als „Silberstrasse“ übersetzt. Ursprünglich aber kam der Name aus dem Arabischen „Balat“, was „gepflästert“ bedeutet. Wartet jetzt ein Paris-Roubaix auf uns? Eines sind wir gewiss, es warten einige Höhenmeter auf uns.
Früh morgens war Armin schon ganz „elektrisch“, wie ein kleines Kind, das Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen feiert, kam er mir vor. Seinen Übermut sollte aber bald gezähmt werden. Ich hätte mich im Bett gerne nochmals gedreht, aber das Leben war gnadenlos. Kurz vor 7:30 h schoben wir unsere vollbepackten Räder durch die noch dunklen Gassen Sevillas, auf der Suche nach einer geöffneten Frühstückbar. Nach einem Glas frischgepressten Orangensaft, einer Tasse café con leche und tostados machten wir uns zum Startpunkt der Via de la Plate, gegenüber der Kathedrale auf den Weg.

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Ab nun sind wir wieder als „bicigrinos“ (bicicletta-peregrinos) unterwegs und folgen den gelben Pfeilen oder den Jakobsmuscheln. Die gelben Pfeile sind genial, um aus der Stadt herauszukommen. So früh an einem Samstagmorgen, ohne Leute auf der Strasse war es für uns ein einfaches Ding, den Pfeilen zu folgen.

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Aber plötzlich ertönte vom vorderen Gefährt ein lautes Schimpfen und Wettern. Eine Glasscherbe wollte uns den Tag vermiesen und der erste Plattfuss war schon Realität, noch keine 4 km auf dem Kilometerzähler! Zudem waren am Gepäckträger noch Schrauben locker.

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In den letzten zwei Jahren hat sich also noch nichts verändert, Armin sorgt immer noch für Unterhaltung mit seinen Pannen. Aber er hat sich ja zu einem Meister im Reparieren entwickelt und so zogen wir bald weiter auf einem Feldweg durch die weiten Felder Andalusiens. Links Weizenfelder, rechts Sonnenblumenfelder oder Oliven- und Orangenhaine, am Wegesrand ein bunter Blumenstrauss in den Farben weiss, blau, rot, violett und gelb.

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Gemütlich traten wir in die Pedalen, bis wieder Armins Velo unsere Idylle störte. Es tönte wie ein getuntes Moped, aber Armin kam kaum mehr vom Fleck. Es dauerte, bis wir herausfanden, welches Teil streifte – ein Ding das noch nie Probleme verursacht hatte. Vielleicht haben unsere Räder beim Transport doch mehr gelitten, als wir angenommen hatten? Als alles wieder im grünen Bereich war, setzten wir unsere Fahrt fort, bis uns ein kleines Gewässer den Weg abschnitt.

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Zum Glück fanden wir einige Meter neben dem Weg eine Möglichkeit, das Hindernis zu überqueren ohne all unser Gepäck abzuladen und durchs knietiefe Wasser zu waten. Endlich konnten wir unsere Fahrt ohne weiter Pannen und Hindernisse fortfahren. 2/3 unserer Etappe war schön eben, im letzten Drittel mussten wir schliesslich heftig in die Pedalen. Es galt 350 Höhenmeter zu überwinden, tönt banal, aber es muss geschafft werden – und wir schafften es.

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Beim Erreichen unseres Tagesziels in Castelblanco de los Arroyos tat mir alles weh, die Füsse, die Waden, die Knie, die Oberschenkel, der Rücken, die Arme, die Schultern, nur der Kopf war noch einigermassen o.k. In einem ausgedehnten, warmen Bad entspannte sich alles schnell wieder. Unkraut verdirbt nicht so schnell.


Castelblanco de los Arroyos – Almaden de la Plata

30 km, 529 kum. Hm

Sonntag, 20. April 2014

Nach fünf sehr schönen sonnigen Tagen, sah die Wettervorhersage für die nächsten Tage nicht sehr optimistisch aus. Nach den Anstrengungen vom Vortag schliefen wir wie die Murmeltiere. Als wir morgens um 7:00 h erwachten, regnete es draussen in Strömen und wir drehten uns nochmals im Bett. Aber für einen Tag im Hotel sitzen, konnten wir uns auch nicht begeistern. So stürzten wir uns in Regenmontur und starteten kurz nach 9:00 h in das nächste Abenteuer. Petrus war uns jedoch gnädig, bald konnten wir uns der wasserdichten Kleidung entledigen, denn immer öfter schaute die Sonne zwischen den Wolken hervor. Eine 30 km lange Etappe ohne Zivilisation und Verpflegungsmöglichkeit wartete auf uns. Ca. 20 km folgten wir der schwach befahrenen Landstrasse bergaufwärts, bis wir das Eingangstor des Parque nacional Sierra Norte erreichten, ein Naturpark der nur von einigen Pilgern oder zwei „Bicigrinos“ besucht wird, aber nicht von einem Touristenstrom.

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Mit Begeisterung fuhren wir auf der gut unterhaltenen Naturstrasse durch dieses Paradies, begleitet von munterem Vogelgezwitscher in allen Tonlagen. Nur einer Handvoll Pilgern begegneten wir. Bis zum Ende des Parks lief alles gut, dann wurde der Weg immer schmaler und steiniger. In unserem Führer stand, dass es für Radler eine Schiebeaktion geben würde. Aber was versteht man schon unter „Schieben“? Mit vereinten Kräften mussten wir unsere Räder, eines nach dem anderen, Meter für Meter über die Steine hinaufschieben.

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Wer denkt, dafür gibt es auf der andern Seite eine flotte Talfahrt, der täuscht sich gewaltig. Durch ein noch steinigeres Bachbett ging es hinunter. Wenigstens hatten wir unser Ziel vor Augen. Trotzdem, es war eine landschaftlich wunderbare Etappe, und unsere Velo-Schiebeaktion erfüllte uns mit mächtigem Stolz.
Die Via de la Plata ist noch nicht so begangen, wie der Camino Francés im Norden, aber die Route wird immer beliebter und die Herbergsbetreiber immer geschäftstüchtiger. Sie lauern den Pilgern schon vor der Türe ab und jeder bieten günstige und schönste Unterkunft an, so auch in Almaden de la Plata. Wenn möglich ziehen wir ein sauberes Doppelzimmer mit eigenem Bad einer Übernachtung im Massenschlag einer Herberge vor. Im Hostal, wo wir übernachteten, trafen wir wieder das symptische Paar aus Frankreich, das in der Nähe von Genf beheimatet ist.

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Wir wünschten ihnen am Morgen schon bei unserer Wegfahrt in Castelblanco „buen camino“. Als wir so gemütlich beisammen sassen und plauderten, entleerte sich über dem 1000-Seelen-Dorf ein tosendes Gewitter. Trotz geschlossenem Fenster lag unsere ganze Kleider-Auslage am Boden im Wasser. Doppelverglasung mit Gummidichtung – was ist das?

Almaden de la Plata – Monesterio
51 km, 698 kum. Hm

Montag, 21. April 2014

Trotz schlechter Wetterprognose war Petrus wiederum gnädig mit uns. Er hatte ja noch einiges gutzumachen von der letzten Tour. Sonnenschein wechselte sich mit vorüberziehenden Wolken ab. Im ständigen bergauf und bergab radelten wir 14 km nach El Real de la Jara.

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Wiederum waren nur die Vögel mit ihrem Gezwitscher von der Partie. Ausserhalb der Ortschaft wechselte die Via de la Plata von der asphaltierten Strasse in einen löchrigen, nassen Feldweg. Wir waren uns schnell einig. Wir beide hatten keine Lust für eine kräfteraubende Aktion wie am Vortag. Wie wir später von anderen Pilgern erfuhren, war unsere Entscheidung einzig richtig. Wir wussten dass unsere Kräfte einteilen mussten denn unser Etappenziel lag auf 750 m ü. M. Wir zogen es vor, einen Umweg von einigen Kilometern zu fahren als dem nassen lehmigen Pilgerweg zu folgen. In Spanien führt jeweils eine bestens ausgebaute Nationalstrasse neben der Autobahn. Also fahren die Autos und Lastwagen auf der Autobahn und die Nationalstrasse wird, zum Teil dreispurigen, Luxusradweg. Die Spanier können sich diesen Luxus ja leisten. Wir verliessen die Provinz Andalusien und die Provinz Extremadura empfing uns mit strömenden Regen. Trotzdem radelten wir tapfer weiter bis zu unserem Ziel, Monesterio.

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Das Hotel gewährte uns auf den Zimmerpreis 10 Euros Pilgerrabatt, was natürlich Armins Pilgerherz höher schlagen liess. Pilgern macht so doppelten Spass!

Monesterio – Zafra
52 km, 350 kum. Hm

Dienstag, 22. April 2014

Für den heutigen Tag wurde uns viel Sonne prophezeit. Die Temperaturen am Morgen waren jedoch kühl. Wir hatten es unterlassen, unser zweites Paar Goretex- Socken aus dem Gepäck zu nehmen. So hatten wir in den nassen Schuhen bald eiskalte Füsse. Wir entschieden uns wiederum für die Nationalstrasse, im vollen Bewusstsein, dass wir so einiges an Naturschönheiten verpassen würden. Mit kalten Händen und Füssen rollten wir zähneklappernd Fuente de Cantos zu. Nachdem wir wieder einen Hügel überfahren hatten, änderte sich die Landschaft ganz plötzlich und wir fühlten uns in einem komplett anderen Film. Die bunten Blumen am Wegesrand, die wilde Natur mit den Kork- und Steineichen, die Felsen, alles war plötzlich weg und die sanfte Hügellandschaft und weiten Felder der Extremadura tat sich vor uns auf. Die vereinzelten Sonnenstrahlen und die Nebelschwaden verliehen dem Ganzen etwas Mystisches.

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Die Extremadura ist so gross wie die Schweiz. Nur ca. eine Million Einwohner besiedeln diese weite Region, die eine wahre Kornkammer ist (die Getreidesilos sind höher als die Kathedralen) über einen erstaunlichen Wasserreichtum verfügt und trotzdem die ärmste Region Spaniens ist.
Locker erreichten wir unser Zwischenziel, wo wir uns mit Proviant und Wasser eindeckten. Wir wollten uns treu bleiben und auf einer kleinen Landstrasse zu unserem Etappenort fahren. Am Dorfrand wollten wir eben in die Pedalen steigen, da kam eine Spanierin mit energischem Ton, der keine Widerrede duldete und meinte, man fahre den Camino auf dem Originalweg und nicht auf der Strasse. Sie hatte recht, die Naturstrasse zur nächsten Ortschaft, durch die Felder war wirklich lohnenswert.

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In Calzadillo de los Barros, nach einem kleinen Imbiss, folgten wir weiterhin dem Originalweg. Wir hätten es ahnen sollen, schon der Einstieg führte durch vom Regen aufgeweichte Erde und Pfützen und unsere Hoffnung, dass der Weg besser werde erfüllte sich gar nicht. Plötzlich sassen wir im tiefen Morast fest, zum Glück keine 100 m von der Nationalstrasse entfernt. Der Schlamm setzte sich zwischen Schutzblech und Rädern fest, sodass wir weder rückwärts noch vorwärts schieben konnten, alle Räder waren blockiert. Es gelang uns, die Räder ins Gras am Wegrand zu tragen und sie zur Strasse zu schleifen. Am Strassenrand wollten wir erst den Lehm mit den Fingern zwischen den Schutzblechen und den Pneus herauskratzen, aber nur die Demontage der Räder und die Entfernung des Lehms mit der Velopumpe in den Schutzblechen machten die Velos wieder einigermassen fahrbar.

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Zum Glück konnten wir unser Ziel Zafra (auf der Nationalstrasse) doch noch erreichen. Wir schämten uns richtig, so als „Dreck-Bicigrinos“ auf Zimmersuche zu gehen. Doch der Hotelbesitzer war nachsichtig, er zeigte uns, wo wir in einer Auto-Selfwash-Anlage mit Hochdruckreinigern unsere Gefährte von Dreck befreien konnten. Der Automat schluckte einige Eurostücke, kein Pilgerrabatt, bis die Fahrräder und die Schuhe wieder einigermassen ansehnlich waren. Diese Sumpftour wird im Langzeitgedächtnis gespeichert.

Zafra

Mittwoch 23. April 2014

Zafra ist eine hübsche, kleine Stadt im Süden der Extremadura, ebenso weiss wie die Dörfer in Andalusien. Ursprünglich war es eine muslimische Stadt. In der Burg aus dem 15. Jahrhundert ist heute ein nobles Parador Hotel untergebracht.

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Gestern hatten wir keinen Mut dort anzuklopfen.
Wir nahmen uns einen Tag frei, um gemütlich durch die Stadt zu schlendern und um zu realisieren, was wir in den letzten Tagen schon alles erlebt hatten. Auch auf diesem Weg begegnen wir den verschiedensten interessanten Leuten. Zum Beispiel der Pilger „Jean-Paul, comme le pape“, unverkennbar mit Hut, Rucksack, Stock und Handtasche, der sich hauptsächlich von Mandel, Bier, und ab und zu einem Glas Gin ernährt. Oder die drei nicht mehr ganz knackigen Französinnen die mit ihren vollbepackten Fahrrädern in Tarifa gestartet sind und in drei Monaten in Norwegen sein wollen. Vielen begegnet man, tauscht ein paar Worte aus, wünscht sich „buen camino“ und jeder geht seinen eigenen Weg weiter.

Zafra – Villafranca de los Barros

22 km, 350 kum. Hm

Dienstag, 24. April 2014

Heute Morgen fühlten wir uns beide nicht so fit, wie Radfahrer eigentlich sein sollten. Beide hatten in der Nacht gesundheitliche Probleme. Nun standen wir vor der Entscheidung, weiterfahren oder nochmals einen Tag pausieren. Wir waren uns bald einig. Wir fahren weiter, aber nur eine kurze Etappe. Vor allem, müssen wir uns wärmer anziehen. Die Wärme Andalusiens ist längst Vergangenheit. Am Morgen erreicht das Thermometer keine 10°C, tagsüber bleibt es unter 20°C Sonnenschein abwechselnd mit vorüberziehenden Wolkenfeldern. Eigentlich ideale Temperaturen für körperliche Anstrengungen, sei es Wandern oder Velofahren.
Es war eine wunderschöne Etappe, ohne weitere Kraftakte, durch Olivenhaine und Blumenwiesen, auf einem einsamen Feldweg.

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Einzig unserem Pilger Jean-Paul und einem weiteren Pilger begegneten wir. Schon kurz nach Mittag erreichten wir unser Ziel. Die kurze Etappe hatte sich gelohnt. Villafranca de los Barros entpuppte sich als schöner, gepflegter Ort. Als Sehenswürdigkeiten hatte der Ort „nur“ zwei schöne Kirchen zu bieten und für unser Nachtlager ein geschmackvoll und liebevoll eingerichtetes Casa Rural. Das gab uns die Möglichkeit, das Schlafmanko der letzten Nacht aufzuholen.

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Villafranca de los Barros – Mérida
46 km, 667 kum. Hm

Freitag, 25. April 2014

Nach viel und tiefem Schlaf fühlten wir uns wieder zu 100% einsatzbereit. Bei der Etappenplanung lasen wir, dass der Anhang „los Barros“ an mehreren Ortschaftnamen in der Gegend „fruchtbarer Boden“ oder „Lehm“ bedeutet. Gemäss unserem Reiseführer, stellte diese Etappe keine grossen Anforderungen, weder an Wanderer noch an Velofahrer. Nach dem Zenit in Monasterio ging es bis Mérida tendenziell bergab. Der Lehm im Ortsnamen machte uns aber schon hellhörig und wir fragten uns, ob die Regenfälle vom Vorabend, den Weg wohl aufgeweicht hätten. Wiederum warm angezogen und voll Zuversicht machten wir uns auf den Weg. Auf dem Weg in die Frühstückbar begegneten wir schon Jean-Paul. Seit wir mit ihm zusammen in der Hotelbar in Zafra ein Glas Wein getrunken haben, singen wir bei jeder Begegnung zusammen „Sur le Pont d’Avignon“ oder „Chevalier de la table ronde“. Heute sollten wir öfters zum Singen, oder gar Jubeln kommen. Wir staunten nicht schlecht, wie weit er schon marschiert war, bis wir unser Frühstück gegessen hatten. Die Fahrt führte durch Weinplantagen, soweit das Auge reicht.

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Die Naturstrasse war durch den Regen überhaupt nicht beeinträchtigt. Plötzlich aber bog der Camino links auf einen Feldweg ab. Da wir nicht wussten wohin die breite Strasse führt, blieb uns nichts anders übrig, als dem Feldweg zu folgen. Spätestens seit diesem Moment wissen wir, dass „los Barros“ eher „Lehm“ als „fruchtbarer Boden“ bedeutet. Es dauerte nicht lange, bis unsere Räder wieder zubetoniert waren. Weder Vorderrad noch Hinterrad drehte sich und keine gute Strasse in greifbarer Nähe. Wir haben ja schon Vieles auf unseren Radtouren erlebt, aber Sumpftouren, das ist etwas ganz neues. Ich war der Verzweiflung nahe und schwor, dass ich dem nächsten Wegweiser nach Madrid folgen werde und nach Hause reisen würde. Armin meinte nur trocken, dass sei eben Abenteuer. Als wir so verzweifelt dastanden, kam plötzlich ein Traktor gefahren und wir hofften auf Hilfe. Der stolze Spanier fuhr aber, ohne mit der Wimper zu zucken, an uns vorbei. Seiner Hilfe wurden wir erst später bewusst, denn er hatte mit seinen breiten Rädern den nassen Lehm festgewalzt. In der Zwischenzeit hatte uns Jean-Paul wieder eingeholt, er konnte uns auch nicht helfen und ging schliesslich seines Weges weiter.

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Es blieb uns nichts anderes übrig, als unser Gepäck abzuladen, die Fahrräder auf den Kopf zu stellen, die Räder zu entfernen und den Lehm aus dem Schutzblechen zu kratzen. Wir hatten keinen Mut, die vollbepackten Räder auf der festgewalzten Erde weiterzuschieben, deshalb ging ich mit meinem Rad, ohne Gepäck, voraus bis nach ca. 1 km der klebrige Weg wieder in die Naturstrasse, die wir einige Kilometer zuvor verlassen hatten, mündete. Ich deponierte mein Velo am Strassenrand und ging zurück um Armin weiterzuhelfen. Währenddessen transportierte Armin das Gepäck und sein Velo meterweise weiter.
In solchen Momenten beginnt man schon zu sinnieren, ob man solche Aktionen in unserm Alter noch braucht. Oder beginnt das Leben tatsächlich erst mit 66 Jahren? Die Jakobswege gleichen oft dem Lebensweg, da gibt es ja manchmal auch Situationen, wo man glaubt es gehe nicht mehr weiter. Wenn wir später einmal, mit den Fotobüchern von der Via de la Plata im Altersheim sitzen, werden wir über diese Erlebnisse lachen und sagen, was haben wir alles geleistet als wir noch „jung“ waren.
Kaum war die Idylle auf der breiten Naturstrasse wieder hergestellt, war der Ärger vergessen und ich entschied, mit dem Fahrrad weiter zu pilgern! Bald holten wir Jean-Paul wieder ein, nochmals ein kurzes Gespräch und ein Adieu. Wir werden in kaum mehr sehen, aber die Einladung an die Loire und seine Adresse haben wir im Sack. Wir überzeugten ihn natürlich auch, einmal den Jakobsweg durch die Schweiz zu gehen und dann bei uns Einkehr zu halten. Es sind besonders diese Begegnungen, die den Wert des Weges ausmachen.
Wir staunten nicht schlecht, dass wir unser Tagesziel Mérida, trotz der Rackerei, doch noch auf angenehme Art erreichten. Sogar das Hotel, wo wir vor zwei Jahren wohnten, fanden wir noch. In Mérida hatten die Römer vieles an Bauwerken hinterlassen, z.B. Aquädukt, Amphitheater, Dianatempel, die römische Brücke etc.

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Da wir diese Sehenswürdigkeiten schon alle besichtigt hatten, setzten wir uns gemütlich auf der Plaza de Espana an die Sonne und nippten an einem Glas Vino al Limon und beobachteten das Treiben auf dem Platz.

Mérida – Alcuéscar
37 km, 476 kum. Hm

Samstag, 26. April 2014

Bei bewölktem Himmel und bei etwas wärmeren Temperaturen starteten wir in den neuen Tag. Es stand wieder eine Bergetappe auf das nächste Hochplateau bevor. Wir verliessen Mérida auf einem ausgezeichneten Radweg, der zum Naherholungsgebiet an den Stausee von Prosperina führt.

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Es handelt sich um den grössten, heute bekannten, römischen Stausee und ist zusammen mit der Stadt Mérida von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt worden.
Je höher wir den Berg hinauf krochen, desto mehr veränderte sich die Natur: Steineichen, Viehweiden, Blumen in allen Farben und Variationen.

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Der Kuckuck rief uns laut zu. Armin, mit seiner gelben Jacke, als Kanarienvogel getarnt, erwiderte sein Rufen. Es gibt nämlich auch Vögel mit Fremdsprachenkenntnissen.
Unser Weg bog links ab, von der angenehmen Naturstrasse in eine Sand- und Steinpiste. Wir standen dort und fragten uns, sollen wir oder sollen wir nicht? Wir wagten es. Es gab einige kleine Schiebeaktionen aber ohne Katastrophen oder Verzweiflungen. Es kamen uns auch einige begeisterte Biker entgegen. Schon bald erreichten wir Aljucén, wo wir Gelegenheit hatten, uns mit heissem Tee und Bocadillos zu stärken.

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Wir wollten das Glück nicht herausfordern und wählten für den Rest der Etappe die Nationalstrasse, begleitet vom Rauschen der benachbarten Autobahn. Mit Rückenwind erreichten wir unser Ziel Alcuéscar locker.

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Nach einer warmen Dusche und einer Ruhepause machten wir uns auf Sightseeing-Tour, obwohl es gar nicht sehenswertes gab. Vor allem aber waren wir hungrig. Obwohl es erst 17:30 h war und in Spanien ab 20:30 h Nachtessen serviert wird. Die Gassen waren menschenleer. Wir schauten in einige Bars, aber keine war einladend genug für uns. Kurz nach 18:00 h fanden wir ein ziemlich grosses Restaurant. Wir bestellten uns ein Glas Weisswein und fragten den Kellner, ab welcher Zeit das Nachtessen serviert werde. Seine Antwort lautete, ab 19:30 – 20:00 h. Wir sassen gemütlich am Tisch und beobachteten das Kommen und Gehen der meist männlichen Gäste. Eine Gruppe sass am Tisch und spielte Karten, ohne Konsumation, andere standen an der Bar und tranken ein Bier. Im Hintergrund lief der Fernseher, ohne dass ihm wirklich Beachtung geschenkt wurde. In Spanien wird mit dem Lichtschalter gleich auch der Fernseher angeschaltet! So ca. 19:15 h verabschiedete sich der Kellner in den Feierabend und der Chef kam zum Einsatz. Eine halbe Stunde später, getrauten wir uns zu fragen, ob wir unser Nachtessen bestellen könnten. Die Antwort des Chefs: heute gibt es keine Nachtessen! Cornuto! Enttäuscht und immer noch hungrig machten wir uns davon, weiter auf die Suche, bis wir zu einer Art Restaurant-Confiserie kamen. Dort sassen die Frauen mit den Kindern beim Kuchenessen. Die Kinder kreischten, die Mütter schrien, der Fernseher lief in der oberen Lautstärke, und der Rest musste so laut reden, dass man sich verstand. Aber wir hatten Hunger und viele Alternativen gab es nicht. Trotz unserer Bestellung blieb der Koch, mit seinem übergrossen Hängebauch am Nebentisch sitzen und plauderte mit zwei Damen. Erst als diese sich verabschiedet hatten, bemühte er sich in die Küche.

Alcuéscar – Caceres
40 km, 340 kum. Hm

Sonntag, 27. April

Der Wind hatte über Nacht die Wolken weggeputzt. Ein kühler, aber wolkenloser Tag wartet auf uns. Wiederum folgten wir dem Camino durch Weiden und Felder. Wir wollten den Meilenstein aus römischer Zeit, der eine Zeitlang noch als Briefkasten für ein benachbartes Gut diente, nicht verpassen.

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Die Ruhe, nur vom Vogelgezwitscher unterbrochen, war nach dem gestrigen Abend, Balsam für unsere Ohren. Nachdem wir das nötige Bild im Kasten hatten, und der Camino eh parallel zur Strasse verlief, kämpften wir uns im Gegenwind weiter auf der Nationalstrasse Richtung Caceres.

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Sonntagnachmittag, ca. 14:30 h erreichten wir die Stadt. Da war einiges los, Herr und Frau Spanier promenierten durch die Stadt, Herr Spanier im Anzug mit Kravatte, Frau Spanier im eleganten Kostüm oder Hosenanzug, mit Schmuck um den Hals, sodass man das Gesicht kaum sah.
Auch diese Stadt besuchten wir im 2012 und auch hier fanden wir das Hotel gleich wieder. Als wir uns anmeldeten, begann die Réceptionistin zu strahlen und meinte: Sie waren ja schon vor 2 Jahren da!
Wir beschränkten uns auf einen kleinen Rundgang in der Altstadt, genossen dafür auf der Plaza Mayor einen üppigen Salatteller, begleitet von einem Gitarristen mit einer wunderschönen Stimme.

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Eine Gesellschaft am Nebentisch sang imbrünstig mit, was Armins Sängerherz hoch schlagen liess.
Neben den vielen Sehenswürdigkeiten aus römischer Zeit, gibt es noch eine andere Attraktion in der Extremadura – die Störche. Eine riesige Zahl von Störchen bevölkern im Frühling und im Frühsommer sämtliche Kirchtürme, Turm- und Palastspitzen und bauen auf den Dächern ihre Nester. In der Extremadura sind sie in keinernArt und Weise vom Aussterben bedroht. Sie werden in den Städten nicht nur geduldet, sondern gehegt. Es ist den Störchen ausgezeichnet gelungen, sich an die neuen, modernen Biotope anzupassen. Als Folge der Klimaerwärmung soll es heute Störche geben, die das ganze Jahr in Spanien bleiben –„Stubenhocker“

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15. April – 18. April 2014

Dienstag, 15. April 2014, 04:00 h morgens.
Bei Meilis klingelt der Wecker, sie gehen wieder auf Tour, genauer auf Velotour.
Dieses Jahr steht die Via de la Plata auf dem Programm. Einerseits ist dies eine alte römische Handelsstrasse, die von Sevilla, in Südspanien nordwärts bis nach Gijon, an die Atlantikküste führt. Anderseits gehört dieser Weg auch zum Jakobspilger-Wegnetz, um nach Santiago de Compostela zu gelangen. Wir aber folgen dieses Mal der römischen Handelsstrasse nach Gijon, dann weiter ostwärts der Küste entlang nach Bilbao, schliesslich mit dem Bus nach Madrid um von dort aus, auf irgendeine Art nach Hause zurückkehren.

Es war eine zeitraubende Sucharbeit, einen direkten Flug aus der Schweiz nach Sevilla zu finden. Die meisten Fluggesellschaften fliegen über Madrid oder Mallorca. Nach langem „Flugplänestudium“ wurde Armin bei Easy Jet fündig. Jeweils dienstags fliegen sie direkt von Genf nach Sevilla. Unsere Satteltaschen und die Fahrräder haben wir bereits einige Tage zuvor per Passagiergut zum Flughafen Genf geschickt; so waren wir nur mit „leichtem“ Handgepäck unterwegs. Mit dem ersten Zug von Fehraltorf nach Zürich starteten wir in unser neues Abenteuer. In Zürich steuerten wir im ICN-Zug gleich den Speisewagen an. Während wir durch die noch verschlafene Schweiz fuhren, frühstückten wir gemütlich ein letztes Mal nach Schweizerart . Der Vollmond blinzelte uns zu und wünschte uns eine gute Reise. Bald lachte die Sonne auf unseren Tisch und die Fahrt durch die gelb leuchtenden Rapsfelder in der Romandie war ein wahrer Genuss. Erinnerungen an unsere Tour im 2012 wurden wach, die uns durchs Schweizer Mittelland und durchs Welschland Richtung Jakobsweg zur iberischen Halbinsel führte.
Wir waren gespannt, wie alles klappen würde mit unseren verschiedenen Gepäckstücken. Aber auf die SBB ist immer noch Verlass. Unser Hab und Gut für unser Abenteuer konnten wir am Gepäckschalter in Empfang nehmen und einige Meter weiter am Easy Jet-Schalter gleich wieder für Weiterreise aufgeben. Kleinen Ärger gab es nur mit den Leuten mit dem Handy vor der Nase, die nichts mehr um sich wahrnahmen und dann plötzlich vor unseren vollbeladenen Wagen stehenblieben und wir kaum bremsen konnten.

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Wir flogen über die schneebedeckten Pyrenäen, was auch unsere Herzen höher schlagen liess. Diese hatten wir damals tapfer mit unseren Rädern überquert. Nach zwei Stunden landeten wir in der Hauptstadt von Andalusien. Wir rätselten, ob wir die Räder gleich zusammen stellen sollten oder eine Transportmöglichkeit zum Hostel suchen sollten. Eigentlich waren wir noch nicht so ganz in Velolaune, kannten den Weg nicht, hatten kein vernünftiges Kartenmaterial, und zudem waren wir viel zu warm angezogen. Bei unserer Abreise zeigte das Thermometer gerade 5° C, in Sevilla beachtliche 26° C. Das Glück war auf der „faulen Leute“ Seite. Ein unkomplizierter Taxifahrer lud unsere Räder und unser Gepäck ohne grosse Diskussionen in sein Auto. Flink lenkte er sein Gefährt durch die verwinkelten Gassen des „Barrio Santa Cruz“, dem ehemaligen Judenviertel, mit den schmiedeisernen Tür- und Fenstergittern und den blumengeschmückten Innenhöfen. Hier, mitten in der Altstadt hatten wir schon vor zwei Jahren logiert und diese Adresse hatten wir uns gemerkt. Der Besitzer erkannte uns gleich wieder und es gab ein lautes „Hola“. Es fühlte sich an, wie „nach Hause kommen“. Schon eine Stunde später sassen wir bereits in einer Tapas-Bar bei einem Glas Weisswein, begleitet von einigen köstlichen Tapas und waren hoch erfreut, über die problemlose Reise. Wir betrachten es als gutes Omen für die restliche Zeit.
Wir sahen viele schöne Städte in Spanien, aber Sevilla war für uns bis jetzt die Schönste. Hier fühlten wir uns schon vor 2 Jahren wohl. So haben wir uns einige wenige Tage eingeräumt, bevor wir in die Pedalen steigen, und uns noch einiges angesehen, was wir letztes Mal verpasst hatten, z. B. das 2011 eingeweihte Sonnendach, von einem Schweizer Architekten gebaut.

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Obwohl in der Karwoche die Preise überteuert sind, sich Menschenmengen durch die Gassen drängen, wählten wir diesen Zeitpunkt, um etwas von dem Spektakel der Semana Santa mitzubekommen. Nirgends in Spanien wird die Karwoche mit so viel Pomp, Feierlichkeit, Ausgelassenheit, Traditionsreichtum, Stolz und ausufernden Madonnenkult begangen, wie in Sevilla. Von Palmsonntag bis Ostersonntag werden Tag für Tag riesige, reich geschmückte Figuren und lebensgrosse Tableaus der Passionsgeschichte aus Sevillas Kirchen durch die Strassen zur Kathedrale getragen. Begleitet werden sie von Prozessionen, die teils mehr als eine Stunde vorbeidefilieren. Diese Rituale spielen sich in der heutigen Form schon seit dem 17. Jahrhundert ab und viele Figuren, teils Kunstwerke ersten Ranges, stammen aus dieser Zeit. 72 verschiedene Bruderschaften, denen tausende Mitglieder angehören, organisieren die Prozessionen. Sie werden angeführt von Trägern einer bis zu je 50 kg schweren Christus- und Marienskulptur.

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Sie bewegen sich hypnotisch im schwankenden Rhythmus voran, im Takt ihrer Begleitkapellen und dem Kommando ihres Anführers.

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Ihnen folgen ca. 2500 Kostümierte. Sie tragen langen Kutten mit spitzen Kapuzen, die, ähnlich wie beim Ku-Klux-Klan das Gesicht bis auf ein Paar Sehschlitze komplett verdecken, denn nur Gott soll die Identität der Büsser kennen. Die Allerbussfertigsten sind barfuss mit geschultertem Kreuz unterwegs. Bis zu 14 Stunden sind sie auf den Füssen und das Pumm-Pumm der Trommeln hört man bis weit in die Nacht hinein.

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Einen Tag nutzten wir für einen Ausflug nach Jerez de la Fronteira. Diese Stadt gehört zum Sherrydreieck „Sanlucar de Barrameda – El Puerto de Santa Maria – Jerez de la Fronteira“. In den beiden anderen Städten kamen wir bereits vor zwei Jahren vorbei, Jerez lag damals nicht an unserem Weg. Die Stadt betört mit einer wilden Mischung aus Sherry, Pferden und Flamenco. Sie beherbergt eine ansehnliche Gitano-Gemeinde, aus der einige bedeutende Flamencokünstler hervorgebracht wurden. Letztes Jahr feierte die Königlich-Andalusische Schule der Reitkunst ihr 40-jähriges Bestehen. Sherry-Bodegas gibt es ebenso viele wie Kirchen. Der Sherry war in England schon zu Shakepears Zeiten berühmt. Der Ausbau der Sherrykellereien wurde im 19. Jahrhundert hauptsächlich mit britischem Geld finanziert. Die High Society von Jerez ist heute teils andaluz, teils britisch, weil in den letzten 150 Jahren viele Mischehen zwischen Sherryfamilien geschlossen wurden. Obwohl die Sherryindustrie der Stadt grossen Reichtum beschert hat, ist es immer noch eine Stadt der Extreme. Sie hat eine Arbeitslosenquote von 30 %, zudem todschicke Boutiquen und vornehme Villen.
Die Fahrt mit dem Bus dorthin erinnerte uns an unsere schlimmste Radetappe im 2012, durch endlose Reisfelder ohne jegliche Zivilisation, Staub, Schlangen und Plattfüssen. Die damals neue Zugbrücke ohne jede Infrastruktur, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite war immer noch hochgezogen, wie vor zwei Jahren. Eine teure Investition, die wahrscheinlich noch nie in Gebrauch war.
Bei ca. 30° C schlenderten wir durch die Stadt zur Reitschule, vergeblich, sie war geschlossen.

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Schade, einer Reitstunde hätten wir gerne beigewohnt. Auch Kathedrale und Alcazar öffnete die Tore nicht für uns. Doch Kathedralen werden wir noch einige sehen.

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Beijing ist eine Schatzkammer der Geschichte und gleichzeitig eine selbstbewusste, moderne Stadt, die sich aufmacht, China bis ans Ende aller Zeiten zu regieren. Die Bauwerke zeugen von allen historischen Epochen, von den Mongolen bis heute, von den vernachlässigten Gassen (Hutongs) über unterirdische Bunker aus den 1970-er Jahren bis zu den glänzenden Bauten zeitgenössischer Architekten.
Der grösste Reiz Beijings geht aber von den glanzvollen Bauten der Kaiser aus. Sie haben in Beijing mehr Spuren hinterlassen als in anderen kaiserlichen Hauptstädten wie Nanjing oder Kaifeng.
Die Stadt ist mit einer Gesamtfläche von 16800 km2 etwa so gross wie Belgien und zählt ungefähr 23 Millionen Einwohner. 7 Millionen sind täglich in der U-Bahn unterwegs.
In Beijing liessen wir uns im „5-Sterne Hotel Sohn“ nieder. Am ersten Tag zerrissen wir keine grossen Stricke. Wir besuchten keine buddhistischen oder taoistischen Tempel, einzig den Carrefour-Einkaufstempel in unmittelbarer Nähe.

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Seit April ist es hier um einiges wärmer geworden, keine kalten Winde blasen mehr durch die Häuserzeilen und die Bäume sind grün geworden, der Swimmingpool, der zum Haus gehört, ist in Betrieb. Nach einem Tag Herumtrödeln waren wir wieder voller Tatendrang. Tiananmen-Platz, Mao-Mausoleum und Verbotene Stadt standen auf unserer Besichtigungsliste. Mit Bus und U-Bahn erreichten wir das Südende des Tiananmen-Platzes. Der Platz „am Tor des Himmelsfriedens“ gilt als einer der grössten innerstädtischen Plätze der Welt.

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Der 30 ha grosse Platz wurde 1958/59 zum 10-jährigen Staatsjubiläum angelegt. Er ist gross genug, um eine halbe Million Menschen aufzunehmen. Während der Kulturrevolution fanden hier die grossen Paraden statt, mit Millionen von Teilnehmern. An seine Westseite grenzt Chinas Parlamentssitz, im südlichen Teil des Platzes thront der 4-eckige, typische, sozialistische Bau mit dem Mao Zedong-Mausoleum.

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Auf diesem Platz wurde am 4. Juni 1989 die Studentenbewegung, die mehr Demokratie forderte, blutig niedergeschlagen – heute noch ein Tabu-Thema in China. Ohne Sicherheitskontrollen gibt es kein Durchkommen auf diesem Platz und die Polizei ist allgegenwärtig. Nachdem wir all unsere Prüfungen bestanden hatten, wollten wir Mao Zedong unsere Ehre erweisen. Mit Rucksack und Fotoapparaten strebten wir dem Eingang entgegen. In grosser Aufregung kam ein Beamter auf uns zu gerannt, meinte „No Fotos“ und forderte uns auf, ihm zu folgen und unsere Kameras an einem Stand abzugeben. Ob es ein echter Beamte war – wer weiss? Wir liessen ihn springen und Mao Zedong in Frieden ruhen. Wenn man uns gesagt hätte, wir müssten unsere Kameras in den Rucksack stecken, hätten wir das befolgt, aber irgendwo abgeben, das war uns zu heiss. Wir überquerten die nackte Wüste aus Pflastersteinen (ohne Sitzbänke) Richtung Norden, zum Eingang der „Verbotenen Stadt“. Kurz vor unserem Ziel, sprach uns eine junge freundliche Dame an, sie wollte wissen, woher wir kommen etc. Bald kam sie zur Sache und wollte uns zu einer Kunstaustellung einladen. Als nun erfahrene China-Reisende wussten wir, das ist die gleiche Masche wie die Teezeremonien. In den Kunstaustellungen wollen sie ahnungslose Touristen mit wertlosen Kunstgegenständen über den Tisch ziehen. Wir lachten und liessen sie stehen.
Die „Verbotene Stadt“ ist der grösste und am besten erhaltene, historische Baukomplex in China.

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Diese historische Stätte, mit dem faszinierenden Namen, wird von einem 52 m breiten Wassergraben umschlossen. Normalen Bürgern war der Eintritt über 500 Jahre lang verboten. Die Herrscher zweier Dynastien lebten in diesem ausserirdischen Palast.

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Wand derr neun Drachen

Wand derr neun Drachen

Der letzte Kaiser wurde durch die Republik daraus vertrieben. Wir wendeten einige Stunden für die Besichtigung dieses imposanten Bauwerkes auf. Wir bestaunten die verschieden Hallen, mit wohlklingenden und viel verheissendem Namen, wie „Palast der Himmlisch-Männlichen Klarheit“.

Nachdem wir das Areal durch den Nordausgang verlassen hatten, stiegen wir trotz müden Füssen auf dem Jing Shan (Kohlehügel) der gleich gegenüber dem Palastkomplex liegt. Der Name „Kohlehügel soll sich auf die Kohlevorräte beziehen, die zu seinen Füssen gelagert wurden. Der Berg entstand aus dem Aushub des Palastgrabens und bietet heute einen wunderbaren Ausblick über Beijing und insbesondere über die Verbotene Stadt mit ihren gelb glasierten Ziegeldächern (gelb war dem Kaiser vorbehalten), wenn der Smog nicht zu dicht ist.

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Nach dem Feng Shui diente der Berg auch als Barriere, um die bösen Geister von der Verbotenen Stadt fernzuhalten.
Am Samstagmorgen klingelte der Wecker bereits um 5:00 h morgens. Pyjama und Zahnbürste wurden für unseren Wochenendausflug in den Rucksack gepackt. Vier Sitzplätze waren im Zug von Beijing nach Chengde für uns reserviert und eine 4 1/2 –stündige Fahrt durch den Talkessel von Beijing, zwischen Hügel und Berge hindurch, wartete auf uns.

Unser Ziel waren des Kaisers Sommersitz und sein Jagdrevier. Der Palast mit seinen verschiedenen Hallen, einem riesigen Garten, Jagdgelände und einem See ist von einer 10 km langen Mauer eingezäunt.

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Als der Kaiser Kangxi 1703 mit seinem Tross durch das Tal von Chengde zog, war er von der Landschaft so angetan, dass er dort einen Jagdsitz erbauen liess. Nach und nach entwickelte sich daraus eine Sommerresidenz. Die Bedeutung Chengdes nahm ständig zu, und der Hof der Qing-Kaiser hielt sich immer länger hier auf. Manchmal zogen die Kaiser mit ihrem 10 000-köpfigen Hofstaat für mehrere Monate nach Chengde. Die Reise dauerte 7 Tage. Hier trafen sich die Kaiser zu Verhandlungen mit den kriegerischen Grenzstämmen in weniger einschüchternden Umgebung als in Beijing. Mongolen, Tibeter, Uiguren und später auch europäische Gesandte kamen zu Besprechungen nach Chengde. Ab Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Residenz die grösste Bedeutung. Während dieser Zeit wurden auch viele Tempel gebaut, um die ausländischen Herrscher zu beeindrucken.
Nachdem wir die kaiserlichen Hallen besichtigt hatten, trennten wir uns von Lenka und Oliver, sie wollten zügig marschieren, wir wollten gemütlich den Park besichtigen. Armin und ich bestiegen einen Kleinbus, um einige der Aussichtspunkte zu sehen. Aber von Gemütlichkeit keine Spur! Der Fahrer raste über die betonierten, schmalen Strassen durch den idyllischen Wald. Wir hatten das Gefühl, in den Kurven fahre er nur noch auf zwei Rädern. Bei den Aussichtpunkten hielt er an, alle stiegen aus, rannten über den Aussichtshügel um auf der anderen Seite des Hügels wieder einzusteigen.

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Wir hatten die grösste Mühe, bei dem Tempo mithalten zu können und trotzdem noch einige Fotos zu schiessen. Nach einer knappen Stunde stiegen wir total erschöpft an der Bushaltestelle aus. Zum Glück blieb uns noch etwas Zeit, um uns an den Gestaden des Sees vom chinesischen Tempo zu erholen.

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Vor unserer Rückkehr nach Beijing besuchten wir das Puning Kloster, eines der vielen Klöster, die ausserhalb der Parkmauer gebaut wurden. Das einzige, aktive, buddhistische Kloster von Chengde, mit den quietschenden Gebetsmühlen, wurde Mitte des 18. Jahrhunderts gebaut, um den Sieg über die westlichen Mongolenstämme zu feiern. Der vordere Teil ist typisch chinesisch geprägt, der hintere Teil ist nach tibetischem Muster gebaut.

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Montagmoren, für Lenka und Oliver beginnt eine neue Arbeitswoche, für Armin und mich unsere letzte Woche in China. In Beijing gibt es noch einiges zu sehen, deshalb zogen wir schon zeitig los. Die Regenschauer vom Sonntag hatten die Luft geputzt. Es war der geeignete Tag, um den Sommerpalast zu besuchen. Schon in der U-Bahn kamen wir mit einer chinesischen Sippe (Tante, Bruder, Schwester, Cousine) ins „Gespräch“. Keiner von ihnen sprach nur ein Wort Englisch. In Zeichensprache amüsierten wir uns trotzdem. Im Park des Sommerpalastes trafen wir die Clique wieder. Nach dem obligaten Fotoshooting beschenkten sie uns mit gegarten Maiskolben.

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Der riesige kaiserliche Garten mit seinen zahllosen Hallen, Wohnhöfen, Seen, Pavillons, Laubengängen und Pagoden, alle mit grün glasierten Ziegeldächer und teils in tibetischer Architektur gebaut, entstand in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

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Der Qianlong Kaiser liess dieses Bauwerk zum 60. Geburtstag seiner Mutter erstellen. Den anschliessenden Kunming-See liess er von 100 000 Arbeitern ausheben und erweitern.

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Zweimal in ihrer Geschichte wurde die Anlage entweder geplündert oder teilweise zerstört. Das erste Mal 1860 durch die Engländer und Franzosen, das zweite Mal 1900 durch die alliierten Armeen nach der Niederschlagung eines Aufstandes. Der „Garten der Harmoniepflege“ wurde unter der Regie der Kaiserin Cixi wieder hergerichtet. 1924, nach der Vertreibung des letzten Kaisers, erhielt erstmals die Öffentlichkeit Zutritt. Wir waren ganz schön gefordert mit dem Treppen rauf und Treppen runter,

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über Steine und Felsen, vorbei an der „Halle des Altwerdens durch Güte“, dem „Pavillon des Buddhaweihrauchs“, der „Halle der ziehenden Wolke“ und dem „Tempel des Meeres der Weisheit“. Nur das festverankerte Marmorboot entzog sich unseren Blicken. Es war wegen Renovation unter einer Hülle versteckt.

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Wir waren froh, dass wir in einer schattigen, ruhigen Ecke uns ausruhen und an den geschenkten Maiskolben knabbern konnten.
Bevor wir uns auf den Heimweg machten, flitzten wir mit der U-Bahn zum Nationalstadion, wo 2008 die olympischen Spiele stattfanden. Natürlich wollten wir die exklusive Architektur des „Vogelnestes“ in Natura sehen.

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Die Schweizer Architekten Herzog und Demeuron haben schon eine einmalige Arbeit geleistet. Gegen einen Eintrittspreis konnten wir das Stadion besichtigen.

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Wir setzten uns auf die Zuschauerplätze und liessen uns nachträglich vom Geist der Spiele anstecken und stellten uns den rauschenden Applaus und die Siegerehrungen vor.

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Anderntags, frisch ausgeruht, setzten wir uns wiederum in die U-Bahn und sausten zum „Himmelstempel“. Dieses Bauwerk liegt in einen 267 ha grossen Park, umgeben von ungefähr 4000 knorrigen Zypressen, die teils über 800 Jahre alt sind.

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Die Bäume spenden angenehmen Schatten bei vollem Sonnenschein und über 30° C. Der grosse Park ist eine Oase der Ruhe, die nach konfuzianischen Prinzipien gebaut wurde. Der Himmelstempel ist nicht ein Ort, an dem Gläubige Räucherstäbchen anzünden. Er diente vielmehr als riesige Bühne für die Zeremonien, bei denen der Himmelssohn (Kaiser) um gute Ernten und göttliche Einsicht bat. Es gehörte zu den rituellen Aufgaben der Kaiser, durch jährliche Opfer für stete Harmonie Zwischen Menschen und Kosmos zu sorgen. Der Himmelstempel, der bedeutendste aller kaiserlichen Altäre, zeigt eine klassische chinesische Baukunst in höchster Vollendung.

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Vornehm glitzerten die blau glasierten Ziegeldächer und die goldverzierten Balken im Sonnenschein.

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Dieses Gebäude war bis 1913 nur den Mitwirkenden der Zeremonien vorenthalten, dann wurde es für das Volk zugänglich gemacht.
Nach vielen Kilometern Fussmarsch an der brütenden Sonne, hatten wir einiges an Wasser und Kalorien verbraucht und ein grosser Hunger machte sich breit. Oliver führte uns am Abend in ein feines Restaurant, wo wir uns mit den nötigen Eiweissen, Kohlehydraten und Vitaminen aufbauen konnten. Wir lernten, wie man die Peking-Ente mit den verschiedenen Zutaten in kleine Omelettchen packt und diese Päckchen mit den Stäbchen in den Mund führt. Gar nicht so einfach!

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Wohlgenährt und müde fielen wir ins Bett. Am nächsten Tag besuchten wir unsere letzen Tempel in China. Der Lama Tempel und der Konfuzius Tempel liegen nur einen Räucherstäbchenwurf voneinander entfernt.
Der Lamatempel oder wie er auch genannt wird, der „Palast der Harmonie“ hat der Verbotenen Stadt oder dem Himmelstempel einiges voraus. Er ist kein Museum, sondern wird heute noch von Mönchen bewohnt. Der Bau war ein Projekt der Mandschu Kaiser um zu zeigen, dass der zuvor einverleibte Tibet und die ebenfalls lamaistischen Mongolen im chinesischen Reich gut aufgehoben waren. Bei diesem Unterfangen wollte der kaiserliche Hof nicht knausern. Die Inschriftentafeln sind in Chinesisch, Mongolisch, Tibetisch und Mandschurisch geschrieben. Das berühmteste buddhistisch-tibetische Kloster ausserhalb des Mutterlandes, war einst eine Residenz eines Kaisers. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Herrschersitz in ein Lamakloster umgewandelt.

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Der Tempel zieht Pilger von weither an, die sich in tiefer Verehrung in den Hallen auf den Boden werfen. Über der ganzen Anlage schwebt der intensive Duft der Räucherstäbchen.

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Ganze „Blumensträusse“ aus Räucherstäbchen werden angezündet und der Handel zwischen U-Bahn-Station und Tempel blüht.

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Gleich auf der anderen Strassenseite stehen der Konfuziustempel und die kaiserliche Akademie. Im Vorfeld der olympischen Spiele in 2008 wurde diese Anlage frisch herausgeputzt. Wie in allen konfuzianischen Tempeln gleicht auch dieser Tempel eher einem Mausoleum, in dem Friede und Stille herrscht, ohne wimmelnde Gläubige.

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Zur angenehmen, ruhigen Stimmung tragen auch die alten knorrigen Zypressen mit ihren knöchernen Ästen bei.

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Ein schweigender Wald aus 190 Steinplatten mit Figuren und Schriftzeichen, stellt die 13 konfuzianischen Klassiker in 630 000 Schriftzeichen vor.

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Wir hatten das Glück, in dieser friedlichen Atmosphäre einer viertelstündigen Vorstellung, den alten chinesischen Tänzen, zu entsprechender Musik beizuwohnen.

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In der angrenzenden kaiserlichen Akademie legte einst der Kaiser bei einer jährlichen Zeremonie, vor tausenden knienden Studenten, Professoren und Hofbeamten, die Lehren der konfuzianischen Klassiker aus. Die ehemalige Akademie war für drei kaiserliche Dynastien die wichtigste Ausbildungsstätte.

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Was nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass im August 1966 der Beijinger Schriftsteller Lao She von der Roten Garde zum Konfuziustempel geschleppt wurde. Er musste vor einem Feuer knien, in dem die Kostüme der Pekinger Oper verbrannt wurden, wurde geschlagen und musste „antirevolutionäre Verbrechen“ gestehen. Am anderen Tag ertränkte sich der vielgeliebte Schriftsteller im Taiping See.
Nach dem Besuch dieser zwei Tempel schlenderten wir durch die angrenzenden Hutongs. Dies sind die alten, engen Gassen, wo noch der Geist und die Seele der alten Stadt atmen.

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Noch existieren hunderte von Hutongs, doch viele blieben auf Beijings Schnellstrasse zur modernen Metropole auf der Strecke. Die historischen Gebäude sind geschützt, doch viele müssen mit dem Abbruch rechnen. Die heutigen Hutongs sind ein Schmelztiegel von alten und neuen Hofhäusern aus alter Zeit. Viele wurden durch Um- und Anbauten während der sozialistischen Zeit verschandelt, andere grundlegend anders gebaut, vielleicht mit einer Garage für den Mercedes. Einige Strassen wurden mit kleinen Läden, feinen Restaurants und Kaffeebars attraktiv wiederbelebt. Bei der Hitze liess es sich jedenfalls unter den schattenspendenden Bäumen gut bummeln. Unser Spaziergang führte uns schliesslich zum Trommel- und Glockenturm, am Rande der Hutongs.

Gockenturm

Gockenturm

Drommelturm

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Früher hatten die Trommeln geschlagen um die Tagesstunden anzuzeigen. Je 70 steile, hohe Stufen mussten wir bei den Türmen hinauf und hinuntersteigen.

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Dafür wurden wir mit einer herrlichen Aussicht über die angrenzenden Hutons und der Beijinger Skyline am Horizont belohnt.

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Alternatives Transportmittel

Alternatives Transportmittel

Für die verbleibende Zeit unseres Aufenthaltes in Beijing hatten wir noch zwei Parkanlagen im Visier. In allen Städten in China waren alle Parks besonders schön angelegt, sauber und gepflegt. Sie sind der Treffpunkt vieler älterer Menschen, die entweder miteinander spielen, sich an den Open-Air Fitnessgeräten beweglich halten oder die mit ihren Grosskindern spazieren.

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Wir suchten erst den ältesten Park Beijings, den Ritan Park, auf. In alter Zeit fanden hier rituelle Opfer für die Sonne statt. Auf der Karte war der Park einfach zu finden und die dazugehörende U-Bahn Station ebenfalls. Nur, welchen Ausgang aus der U-Bahn-Station nimmt man wohl am besten? Wir entschieden uns für den Falschen und landeten im Business-Distrikt, mitten in den ultramodernen Wolkenkratzern.

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Die kleinen Nebenstrassen findet man auf keinem Stadtplan. So irrten wir lange umher und fragten uns etliche Male durch, bis wir endlich im gesuchten Park, unter den alten Zypressen, auf einer Parkbank durchatmen konnten.

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Der Beihai-Park, eine weitere grüne Oase Beijings, war uns ebenfalls einen Besuch wert. Der Park liegt im Nordwesten der Verboteten Stadt und wird vom Nordsee dominiert. Im Winter ist der See zugefroren und die Leute vergnügen sich mit Schlittschuhlaufen und anderen verschiedenen Aktivitäten auf dem Eis. Im Sommer blühen dort die Lotosblumen und Vergnügungsboote tuckern über die Wellen. Tagsüber tanzen alte Paare vor den Tempelhallen, in der Dämmerung suchen sich Liebespaare verschwiegene Bänke.

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Auf der Jadeinsel im See ragt die 36 m Dagoba im tibetischen Stil in den Himmel. Sie wurde Mitte des 17. Jahrhunderts für den Besuch des Dalai Lama gebaut.

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Oft hatten wir das Gefühl, die Chinesen hasten durchs Leben, haben es immer eilig, rennen nur den Yuans nach, sitzen schliesslich in der U-Bahn oder einem Tisch und schlafen erschöpft ein.

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Sobald man aber in den Parks die Lebensfreude sieht, die Freude an Musik und Tanz oder an gemeinsamen Karten- oder Steinspielen, fühlt man sich in einem ganz anderen China.
Trotz des kilometerlangen Fussmarsches durch den Park und eine Einkaufsmeile,

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wollten wir nicht auf eine Vorstellung einer Peking-Oper verzichten. Die chinesische Oper kennt viele regionale Besonderheiten. Die Peking-Oper aber ist das Mass aller Dinge- ein farbenprächtiges Spektakel aus Gesang, Sprache, Schwertkämpfen, Mimik, Akrobatik und Tanz.

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Als krönenden Abschluss, am unserem letzten Tag in Beijing, besuchten wir den Panjiayuan Markt, ein Eldorado für Flohmarktfans. Es gibt ca. 3000 Stände und Läden, die neben echt Antikem und antiquarischem jede Menge an Fälschungen und Kopien führen, dazu noch neues Porzellan und typischen Flohmarkttrödel.

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Nach dem Besuch des Marktes war unser Reisegepäck um einiges schwerer.
Das Wetter war auf unserer Reise durch China oft trüb, neblig und besonders im Süden auch feucht. Klare, sonnige Tage waren gezählt. Die verlieh der Reise einen etwas grauen Touch, in Peking aber, wo wir Smog und Dunst erwarteten, erlebten wir einige wunderschöne, sonnige, warme Tage, welche die ganze Reise aufhellten.
Mit vielen Eindrücken und Erfahrungen, die erst noch verarbeitet werden müssen und hunderten von Fotos, die uns als Erinnerung bleiben, kehrten wir gesund wieder nach Hause zurück, ins geordnete und ruhige Leben und in den geregelten den Strassenverkehr.

Nachts um 23:00 h verliessen wir Xi’an mit dem Nachtzug Richtung Pingyao. Vor der Abfahrt spitzte ich noch meine Ellbogen, damit ich mich dieses Mal ebenfalls in den Zug drängeln konnte. Meine Mühe war jedoch vergebens, der Zug stand schon früh auf dem Perron zum Einsteigen bereit und die Passagiere kamen tropfenweise. Im Morgengrauen fuhren wir durch die Agglomeration von Pingyao, ein trostloser Anblick. Ausgebeutete Kohlengruben, dem Zerfall überlassene, „verlotterte“Fabriken mit dutzenden von Hochkaminen und Bergarbeitersiedlungen. Die ganze Region von einer Kohlestaubschicht überdeckt. Auch Pingyao machte auf den ersten Blick einen staubigen Eindruck. Aber schon bald, als wir unser Hotel betraten, fühlten wir uns um Jahrhunderte ins alte China zurückversetzt. Im traditionellen, chinesischen Hotel, mit verschiedenen Wohnhöfen, liegt unser Zimmer für einmal nicht in der -zigsten Etage, sondern im Erdgeschoss in einem lauschigen Innenhof.

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Nach einer Dusche und einer kleinen Ruhepause, machten wir uns auf den Weg, den kleinen Ort, mit nur 450 000 Einwohnern zu entdecken. Pingyao ist fantastisch. Die Stadt hat die besterhaltene Stadtmauer des Landes. Sie stammt aus dem Jahre 1370, ist 10 m hoch, 6 km lang und völlig intakt. Aus 72 Wachtürmen wurde früher die Umgebung überwacht.

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In anderen alten Städten im Reich der Mitte verblassen langsam die Reize aus alter Zeit oder wurden längst Opfer der Kulturrevolutionen. In Pingyao hingegen ist das Meiste erhalten geblieben. Die Stadt bietet alles, was an Vorstellungen über China herumschwirrt. Mit roten Laternen geschmückte Gassen,

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elegante Residenzarchitektur, alte Türme und eine ganze Reihe historischer Bauwerke.

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Zum Glück ist der Ort vom Erneuerungswahn kommunistischer Städteplaner verschont geblieben. In der Stadt wird noch authentisch gelebt. Die Einheimischen hängen ihre Wäsche im Hof auf, sausen mit ihren Drahteseln durch die Gassen oder sitzen einfach im Hauseingang, um sich zu sonnen oder mit dem Nachbarn zu plaudern.

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Pingyao war schon früher eine blühende Handelsstadt. Hier wurden die ersten Banken Chinas gegründet und die ersten Schecks wurden hier eingeführt. Das hatte zur Folge, dass der Transfer grosser Silbermengen von einem Ort zum anderen vereinfacht.

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Kundenempfangs-Zimmer

Kundenempfangs-Zimmer

Gemütlich spazierten wir durch die staubigen Gassen und liessen uns in die alte Zeit versetzen. Wir bummelten ein Stück auf der Stadtmauer und schielten von oben in die Innenhöfe.

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Wir besuchten den Konfuziustempel, stiegen auf den Stadtturm und sahen uns das Ristenchang-Finanzhaus an.

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Dort wurde Ende des 18. Jahrhundert ein Geschäft für Farbstoffe gegründet. Durch den enormen Geschäftserfolg in China verwandelte sich der Betrieb 1823 in die erste Wechselbank Chinas, die schliesslich landesweit 57 Filialen betrieb. Einige hundert Meter von diesem Museum entfernt, liegt der alte Gerichtshof, wo früher Recht oder Unrecht gesprochen, die Leute bestraft oder ins Gefängnis geworfen wurden.

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Folterwerkzeuge

Folterwerkzeuge

Brandbekämpfungs-Werkzeuge

Brandbekämpfungs-Werkzeuge

Im ganzen Land trifft man immer wieder auf Fussmassage-Salons. Anscheinend ist es in China üblich, dass man ab und zu zur Fussreflexzonenmassage geht, denn in diesen Studios steht nicht ein Behandlungsbett, sondern gleich mehrere. Hier in Pingyao findet man ein solches Studio in jedem dritten Haus und auf der Strasse wird fleissig geworben. Das Angebot, für 30 Yuan (Fr. 5.–) sich eine Stunde lang die müden Füsse massieren zu lassen, tönte verlockend. Für zwei Personen handelten wir einen Rabatt von 10 Yuan aus. Erst entspannten wir unsere Füsse in einem Kräutersud. Danach überzeugten uns die Masseurinnen, dass wir nicht nur eine Massage, sondern auch eine Pedicure nötig hätten.

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Geschäftstüchtig, wie sie waren, empfahlen sie uns noch eine heilende Salbe. Die Nackenmassage lehnten wir dann aber entschieden ab, obwohl sie wahrscheinlich auch gut getan hätte. Die Frauen ergötzten sich ab Armins Haaren an den Beinen, für sie ist das fremd, chinesische Männer haben keine Körperhaare. Meinen Rat, für 100 Yuan sämtliche Körperhaare zu zeigen, lehnte Armin dann doch ab. Nach einer guten Stunde, mit lustigen Diskussionen in Zeichensprache und Gesten, hüpften wir mit gepflegten Füssen wieder davon.
Wahrscheinlich gefiel uns Pingyao so gut, weil wir bei den Sehenswürdigkeiten, gegen Vorweisung unseres Passes, für einmal keine Eintrittsgelder zahlen mussten. Hier waren die Eintritte ab Alter 60 Jahren frei. Auf unserer Reise haben wir mehr Geld für Eintritt gebraucht, als für die Mahlzeiten.

Pingyao und Datong liegen ca. 7 ½ Zugstunden voneinander entfernt. Erst in etwa 2 Jahren wird die neue Highspeed-Strecke betriebsbereit sein. So stiegen wir in Pingyao in den ganz normalen Hartseat-Zug ein, mit dem jeder gewöhnliche „Ottonormalchinese“ reist. Zum Glück hatten wir reservierte Sitzplätze, trotzdem mussten wir erst einen schlafenden Chinesen von unseren Plätzen verjagen. Knapp 10 Haltestellen gibt es auf dieser Strecke. Bei jedem Halt stiegen ca. 75 Leute aus und 100 Personen ein. Wer keinen reservierten Sitzplatz hat, der steht. Da das Drachenbootfest bevor stand, an dem die Chinesen zu ihren Familien fahren, waren sehr viel Studenten unterwegs. Viele von ihnen, aber auch ältere Leute hatten keinen reservierten Sitzplatz. Diese stehen dann stundenlang im Mittelgang des Zuges. Eine Studentin aus Xi‘an und ihr Freund standen mindestens 8 Stunden lang, bis sie an ihrem Heimatort angelangt waren. Wenn dann der Zug so richtig voll ist, zwängt sich noch eine Frau mit einem Früchtewagen, ein Mann, der Mittagessen verkauft, einer der Getränke an den Mann bringen will, oder einer der sonstigen Krimkrams verkauft, durch die Menge. Schliesslich kommt noch die Putzequipe. Der Erste sammelt den Abfall zusammen, der Zweite putzt zwischen den vielen Beinen hindurch, mit einem feuchten Besen den Boden. Keiner meckert oder schimpft. Uns gegenüber sassen eine 19-jährige Medizinstudentin und ein 18-jähriger Highschoolabsolvent. Bald fassten sie den Mut, sammelten ihre ganzen Englischkenntnisse zusammen und schon waren wir wieder in einem, zwar manchmal stockendem, aber doch angeregtem Gespräch verwickelt. Die Fahrt war so spannend und abwechslungsreich, dass wir fast nicht bemerkten, dass die Bahnlinie über einen 1600 m hohen Pass führt.
Nachdem wir in Luoyang, Xi’an und Pingyo einige schöne, sonnige und trockenwarme Tage erleben konnten, regnete es in Datong in Strömen. Datong liegt auf ca. 1100 m über Meer, dem entsprechend war es frisch und wir mussten unsere warmen Jacken aus unseren Koffern ziehen.
Datong liegt im Kohlegürtel im Norden Chinas, an der Bahnstrecke der transmandschurischen Eisenbahn Moskau – Peking. Es ist das Tor zu einigen der wichtigsten Kulturschätzen Chinas: die Ehrfurcht einflössenden Yungang Grotten, das hängende Kloster und die älteste Holzpagode der Welt. Weil sich die Millionenstadt, als ein in Kohlestaub gehülltes Schwergewicht, im hartumkämpften Tourismusmarkt, behaupten muss, hat sich die Stadtregierung in ein kostspieliges Facelifting eingelassen. Ganz China, von Nord bis Süd, ist eine einzige Baustelle. Wohntürme werden abgerissen und wieder aufgebaut, Tausende von Kranen stehen überall, Infrastrukturen, jeglicher Art, werden gebaut, aber was in Datong abgeht, übertrifft alles. Während der Mao-Zeit und noch in den 1980er Jahren wurde die Altstadt niedergewalzt. Es wurden Häuser im sozialistischen Stil (ohne Komfort, ohne Bad/WC) hingestellt. Nun wird wieder alles niedergewalzt und eine neue Altstadt im alten Stil wird auf den Trümmern neu aufgebaut.

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Einiges ist schon fertig gestellt, das meiste ist noch im Bau. Von der Moschee stammt nur der grosse Gebetssaal aus alter Zeit, die restliche Anlage wurde authentisch neu gebaut.

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Das Regenwetter in Datong war ein kurzes Intermezzo. Schon am nächsten Tag hellte sich der Himmel wieder auf und die Dächer, Bäume und Strassen waren vom Kohlenstaub gereinigt, die Temperaturen waren angenehm warm, nicht zu heiss und die Luft klar und rein. In der Zwischenzeit gesellten sich wieder Lenka und Oliver zu uns. Wegen des Drachenbootfestest haben auch sie drei Tage frei. Zusammen besuchten wir die Yungang Grotten, etwa 20 km ausserhalb Datong. Die Grotten wurden vom Völkerstamm der türkischsprachigen Tuoba aus dem Sandstein gehauen und sind geprägt von indischen, persischen und sogar griechischen Einflüssen, die über die Seidenstrasse nach China kamen. Mit den Arbeiten wurde ca. 460 Jahre n. C. begonnen und es dauerte etwa 60 Jahre, bis die 252 Grotten fertig gebaut waren. Sie sind die älteste Sammlung buddhistischer Steinmetzarbeiten in China.

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Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zu dem etwa 60 km entfernten Heng Shan. Ein relativ neu erschlossener Berg, mit einer an die Hänge und Felsen geklebten Tempelanlage. Ein erster neuer Tempel liegt gleich beim Parkplatz.

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Die Mönche dort winkten uns gleich freundlich hinein und forderten uns auf, Räucherstäbchen anzuzünden, sich vor dem Buddha zu verneigen und eine Opfergabe zu spenden. Als Dank für die Opfergabe schlugen sie dreimal den Gong. Ein Mönch nahm Lenka und Oliver zu sich, ein anderer Armin und mich. Sie gaben jedem einen, mit chinesischen Zeichen bedruckten Zettel in die Hand, worauf wir unseren Namen schreiben mussten. Der Mönch faltete den Zettel kunstvoll zusammen und wir mussten ihn zwischen die Handflächen nehmen. Daraufhin schloss er die Augen und sprach irgendeinen einen „Segen“ aus. Am Schluss des Rituals sagte er zu uns „Money“ und schrieb auf einen Zettel 50! Wir lachten ihn aus und verabschiedeten uns freundlich. Der Mönch bei Lenka und Oliver war nicht so direkt. Er forderte Oliver auf den Zettel ins Portemonnaie zu legen. Wahrscheinlich wollte er schauen, wie gefüllt sein Geldbeutel ist. Oliver steckte den Zettel einfach in die Hosentasche und liess keinen Blick in sein Portemonnaie zu. Selbst im Tempel ist man von Abzockern nicht gefeit.

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Ein Katzensprung vom Heng Shan entfernt, ist das hängende Kloster anzutreffen. Das buddhistische Kloster ist gefährlich nahe an den Fels gebaut und wirkt noch überwältigender durch die langen Stützen, auf denen es ruht. Die Tempelhallen passen sich in geschickter Bauweise dem Verlauf des Felshanges an und sind miteinander durch wacklige Laufstege und Gänge verbunden.

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Was war wohl der Grund, ein Kloster an einen solch unmöglichen Ort zu bauen? Ich jedenfalls bekam dort oben Herzrasen und war froh wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.

Stadttor bei Nacht in der neuen Altstadt von Datong

Stadttor bei Nacht in der neuen Altstadt von Datong

Zu viert bestiegen wir in Datong den Bus, um nach Beijing zu fahren. Bei schönstem Wetter fuhren wir über ein eindrucksvolles Hochplateau, mit vielen Naturschönheiten, bevor wir in den Beijinger Smog eintauchten.
8 Wochen sind wir nun durch China gereist und haben vieles gesehen und erlebt. Tausende von Eindrücken prasselten täglich auf uns nieder. China ist ein Land mit vielen Kontrasten und Widersprüchen. Es gibt die vielen grossen Städte mit tausenden von anonymen Wohntürmen, dann das Land mit den bescheidenen Häusern. Dazwischen gibt es nichts, keine Agglomeration mit schmucken Häusern und gepflegten Vorgärten. Es soll so etwas geben, diese Quartiere sieht man aber nicht, sie sind den Superreichen vorbehalten. In den Städten sind die prunkvoll beleuchteten Geschäfte der bekannten teuren Labels des Westens, einige hundert Meter davon entfernt schneidet der Coiffeur seinen Kunden die Haare auf der Strasse, weil es in seinem Lokal kein elektrisches Licht gibt. In den Städten sind die grossen Baumaschinen am Werk, auf dem Land tragen die Frauen die Bausteine in Körben am Rücken auf provisorischen Holztreppen hinauf und den Bauschutt hinunter. Überall wird noch viel Handarbeit geleistet, sei es auf den Feldern oder in der Stadt.

Bauarbeiterinnen sind überall anzutreffen

Bauarbeiterinnen sind überall anzutreffen

Die Felder werden von Hand gehackt und gejätet, die Strassen werden von Strassenkehrern gewischt. Kaum zu glauben, was einmal mit all diesen Menschen passieren wird, wenn Arbeitsabläufe rationalisiert und Maschinen eingesetzt werden. An den Vorzeigeorten wird fast mit der Zahnbürste gewischt und geputzt, dort wo es kein Geld bringt, lässt man allen Unrat liegen. Wir fuhren an kilometerlangen Windkraftwerken und immensen Solaranlagen, aber auch an unzähligen Kohlekraftwerken, teils in den Wohnquartieren, zwischen den Wohntürmen vorbei. Die Chinesen belächeln die Europäer, die „Langnasen mit den Kartoffelaugen“, streben aber nach Armani, Prada, „Lolex“ und Omega. Man rühmt sich damit, dass man in China etwas entscheidet und das auch sofort durchsetzt, wobei bei uns über alles immer abgestimmt wird. Sie machen sich lustig über die Amerikaner, trinkt aber den Kaffe bei Starbucks und issen den Burger bei Mc Donalds. Stolz fährt die Oberschicht mit den grossen Karossen des Westens durch die überfüllten Strassen. Kleinwagen sind selten zu sehen. In diesem ehemals kommunistischen, sozialistischen Staat herrscht ein Kapitalismus der übelsten Sorte. Jeder will heute sein Geld machen, morgen könnte es vielleicht zu spät sein. Was bei den „Bodenspuckern mit den Dollaraugen und Schlitzohren“ kein Geld bringt, wird nicht gemacht. So rüpelhaft die Leute auf der Strasse sein können, so freundlich und hilfsbereit sind sie auch. Trotz Sprachbarrieren wurde uns immer gerne geholfen, sei es auf der Strasse oder dem Bahnhof. Besonders junge Leute fragten uns immer wieder neugierig, woher wir kommen und wohin wir gehen. Häufig wurde uns freundlich zugelächelt, dass wir Touristen sind, war ja nicht zu übersehen. Auf der ganzen Reise wurden wir immer wieder gefragt, ob sie Fotos von uns und mit uns machen dürfen. Oft merkten wir es gar nicht, dass wir wieder in einer Digitalkamera gelandet sind. Man merkt auch, die jungen Leute wollen vorwärtskommen und sind voll Mut und Elan. Der jung Heugümper in Tunxi ist voll überzogen, im Jahr 2020 wird China wirtschaftlich so weit wie Amerika sein.
Das Essen haben wir von Südchina bis in den Norden immer wieder genossen, einzig in der Provinz Sichuan war es eine Spur zu scharf. Grosse Magen- oder Bauchleiden gab es keine. Der Tee gehört zum Chinesen, wie der Rotwein zum Franzosen. Es gibt keinen Chinesen, der nicht seine Teeflasche dabei hätte.

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In den Zügen gibt es immer heisses Wasser, damit man sich seinen Tee aufgiessen kann. Obwohl wir sehr wenige übergewichtige Chinesen sahen und die Frauen mit ihren schlanken Figuren wie Püppchen aussehen, hatten wirdas Gefühl, es werde von morgens bis abends gegessen. In den Strassen und Gassen, überall wird immer gekocht und gebraten. Manchmal wurden unsere Magensäfte durch die Düfte angeregt, oft verdarben sie unseren Appetit.
Die Reise war spannend, interessant und lehrreich. Wir werden viel Positives mit nach Hause nehmen, sind aber auch dankbar in der noch sauberen Schweiz wohnen zu dürfen. Viele haben das Gefühl in der Schweiz gäbe es zu viele Leute, in China gibt es noch viel mehr und das Gedränge ist noch viel grösser.
Nun sind wir auf unsere Erlebnisse während den nächsten 10 Tagen in Beijing gespannt.

In Nanjing stiegen wir in den Nachtzug um nach Luoyang weiterzureisen. Wir teilten unser Abteil mit zwei 40 – 50 jährigen Chinesen.

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Einer davon sprach einige wenige Worte Englisch. Trotz der Sprachbarrieren waren wir bald in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Derjenige, der kein Englisch sprach, sagte dem anderen immer, was er fragen müsse. Beim Abschied sagten sie uns, dass sie letzte Nacht beschlossen hätten, besser Englisch zu lernen, damit sie künftig mit Fremden besser kommunizieren können, denn sie hätten viel Interessantes von uns erfahren. Nach der 12-stündigen Fahrt kamen wir morgens um 7:00 h in Luoyang an, gerade rechtzeitig für eine Dusche und das Frühstück im Hotel.
Luoyang diente einst 13 Dynastien als Hauptstadt,

Stadttor

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Altstadt

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bis sie im 10. Jahrhundert nach Kaifeng verlegt wurde. Früher verteilten sich 1300 buddhistische Tempel über die Stadt. Es gibt immer noch Kreise, die meinen, „Luoyang ist von altersher das Zentrum der Welt – es ist eine leuchtende Perle“. Heute kann man sich nur schwer vorstellen, dass Luoyang einmal der Mittelpunkt des chinesischen Universums und die östliche Hauptstadt der Tang-Dynastie gewesen ist. Dort wo früher der grosse Palastkomplex stand, befindet sich heute ein abgasverpestetes und hupendes Verkehrsgewühl.
Luoyang ist auch bekannt für das, im April stattfindende, Pfingstrosenfest. Obwohl meine Lieblingsblumen längst verblüht sind, ist nicht zu übersehen, dass diese Blume zur Stadt gehört. Künstliche Blumen in allen Farben, Bilder oder kunstvoll bemalte Fächer werden zum Kauf angeboten. Wir übernachteten im Pfingstrosen-Hotel.

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Etwa 15 km ausserhalb der Stadt befindet sich eines der wenigen in China noch existierenden Meisterwerke der buddhistischen Felsenbildhauerkunst, die Longmen Grotten.

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Etwa 500 Jahre n. Chr. wurde mit dem Bau des Kunstwerkes begonnen. Im Laufe der folgenden 200 Jahre entstanden auf über 1 km Kalksteinwand an den Ufern des Yi Flusses über 100 000 Bildnisse und Statuen von Buddha und seinen Schülern. Heute ist die Figurensammlung durch eine erschreckende Anzahl von Beschädigungen verunstaltet. Anfangs des 20. Jahrhunderts wurden viele Statuen von skrupellosen Sammlern geköpft oder entwendet.

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Viele davon landeten im Ausland, wie dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Atkinson Museum in Kansas City und dem Nationalmuseum in Tokio. Bei manchen Statuen wurden die Gesichter einfach abgeschlagen, eine gezielte Verunstaltung aus den dunklen Tagen der Kulturrevolution. Inzwischen werden nach und nach einige Bildnisse wieder zurückgegeben und die abgetrennten Köpfe werden wieder auf die Hälse gesetzt.
Nach dem Besuch dieses einmaligen Zeitzeugnisses, wo wir wiederum unzählige Treppen hinauf und hinunter gestiegen sind,

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besuchten wir das Kloster der weissen Pferde. Das Kloster wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. gegründet und gilt als erster buddhistischer Tempel auf chinesischer Erde. Nachdem sich zwei Abgesandte des Hofes des damaligen Kaisers auf die Suche nach buddhistischen Schriften gemacht hatten, begegneten sie in Afghanistan zwei indischen Mönchen. Diese begaben sich auf zwei weissen Pferden nach Luoyang und brachten buddhistische Sutren (Schriften) und Statuen mit. Der beeindruckte Kaiser baute einen Tempel, um die beiden Mönche unterzubringen.

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Dort fanden sie auch ihre letzte Ruhestätte. Vom ursprünglichen Tempel ist heute nicht mehr viel zu sehen, im Laufe der Zeit wurde alles erneuert. Irgendwie muss dieser Tempel schon etwas spezielles sein. Nirgendwo anders gab es vor der Anlage so viele Verkaufsstände, wo Räucherstäbchen in verschiedenen Grössen angeboten wurden.

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Seit 2010 steht neben der chinesischen Tempelanlage ein indischer buddhistischer Tempel, ein Freundschaftsgeschenk der indischen Regierung an China.

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Gleich anschliessend ist eine thailändische Tempelanlage im Bau.

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Ein weiterer Ausflug galt dem Shaolin-Tempel. Er liegt etwa 1 ½ Autostunden von Luoyang entfernt, in den Hügeln. Dieser Tempelanlage ist eine grosse Kampfsport-Schule angegliedert.

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Das Shaolin-Boxen wird einem asketischen, indischen Mönch zugeschrieben. Dieser besuchte den Shaolin-Tempel und ergänzte die im Sitzen ausgeführten Meditationen der Mönche mit ein paar Atem- und Muskelaufbauübungen. Es war gerade Samstag und Hunderte von kleinen Knaben bis zu älteren Jugendlichen übten sich in Disziplin und in Körperbeherrschung.

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Der Tempel selbst diente im Laufe der Zeit immer wieder als Kriegsziel und wurde zuletzt 1928 in Brand gesetzt. Heute ist das Meiste wieder aufgebaut und die Anlage ist zu einem Touristenmagnet geworden.

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Besonders der Pagodenwald, ein aus 246 kleinen Ziegelpagoden bestehender Friedhof hat auf die Besucher eine spezielle Anziehungskraft.

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Am nächsten Tag reisten wirmit dem Zug weiter nach Xi’an. Das Einsteigen war wieder ein Abenteuer für sich. Ich verlor jeden Kampf gegen die Chinesen. Am Schluss stand ich noch ganz allein mit meinem Koffer auf dem Perron. Der Zug war bereits abfahrbereit. Der Schaffner stiess mich, samt Koffer einfach durch die Tür in die stockende Menge. Die Absätze noch auf dem Trittbrett, setzte sich der Zug bereits in Bewegung. Kaum sind die „Tiere“ im Zug, werden sie zu Lämmern, sind freundlich und hilfsbreit beimVerstauen des Gepäckes. Nach zwei Stunden hatten wir unser Ziel, Xi’an erreicht.
Xi’an, Ende oder Anfang der legendären Seidenstrasse, ist ein Schmelztiegel von verschiedenen Religionen und Kulturen, die Heimat von vielen verflossenen Kaisern, Kurtisanen, Dichtern, Mönchen, Händlern und Kriegern. Der Bummel durch das muslimische Viertel

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liess unsere Magensäfte gewaltig anregen.

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Köstlicher Duft von verschiedenen Gewürzen stieg aus den vielen Imbissbuden in unsere Nasen. Männer mit Schädelkappen und Frauen mit bedeckten Haaren prägen das Bild der schmalen Gassen.

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Tausende von Baumnüssen, in bester Qualität, werden zum Verkauf angeboten.

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In den Hinterhöfen wird Sesamöl fabriziert. Durch eine winzige Gasse, vorbei an zahlreichen Souvenirläden, erreichten wir die grosse Moschee. Diese Moschee, eine der Grössten in China, hatten wir uns eigentlich anders vorgestellt, weniger chinesisch.

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Sie ist, nicht wie üblich, nach Süden gerichtet, sondern nach Westen, Richtung Mekka. Es ist eine Mischung aus chinesischer und islamischer Architektur. Der Gebäudekomplex beginnt mit einem typischen chinesischem Tempel, mit einer Geistermauer, die Dämonen abhalten soll. Das Minarett ist als Pagode getarnt und bei unserem Besuch wegen Renovierung eingepackt.

Weitere Merkmale Xi’an‘s sind der Glocken- und der Trommelturm.

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Der Glockenturm steht heut im Zentrum eines Verkehrskreiseln.

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Früher beherbergte der Glockenturm eine gross Glocke, welche bei Sonnenaufgang geläutet wurde. Sein Gegenstück, der Trommelturm steht einige 100 Meter entfernt, am Eingang zum muslimischen Viertel. Mit der Trommel wurde früher der Beginn der Nacht signalisiert. Einmal mehr haben wir uns die Füsse wund gelaufen. Wir waren so todmüde, dass wir beschlossen für den restlichen Weg zum Hotel, einen Elektro-Roller-Taxi zu besteigen.

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Ich glaubte, bis zur Ankunft im Hotel, meine Rippen und meine Wirbelsäule wären in kleine Stücke zerbrochen. Im Eiltempo raste der gute Mann auf der holprigen Strasse durch die Kurven, von Stossdämpfern keine Rede.

Stadtmauer von Xi'an

Stadtmauer von Xi’an

Am nächsten Morgen konnten wir es kaum erwarten, die Krieger der weltbekannten Terrakotta-Armee in Natura zu sehen. Aber wie das so ist in China, meist muss man eine gute Stunde oder mehr Autofahren, um in die Nähe der Sehenswürdigkeit zu kommen, dann gibt es mal einen Ticketschalter, von dort bis zur Ticketkontrolle muss man mit mindestens 1 km Fussmarsch rechnen, der Weg links und rechts gesäumt von Souvenirläden, mit mehr oder weniger aggressiven Händlern (bei der Terrakotta-Armee hätten man mit den Kriegern in verschiedenen Grössen und Ausführungen, tausende von Heeren zusammenstellen können).

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Nach der Ticketkontrolle geht es noch einmal 1 km bis zum Objekt, das man ansehen will. Bis wir den ersten Krieger ablichten konnten, hatten wir bereits müde Füsse und bei über 30° C floss schon der Schweiss von der Stirn.
Die Terrakotta-Armee ist einer der berühmtesten archäologischer Funde der Welt. Diese unterirdische Armee aus Tausenden von lebensgrossen Soldaten hat über zweitausend Jahre, schweigend die Seele des ersten Kaisers von China bewacht. Vielleicht befürchtete Kaiser Qin Shihuangdi die besiegten Geister im Jenseits wiederzutreffen oder er erwartete, seine Regentschaft setze sich in der jenseitigen Welt fort. Die faszinierenden Wächter mit ihren Pferden, in schlachtbereiter Aufstellung

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wurden 1974 per Zufall entdeckt, als Bauern einen Brunnen ausgraben wollten. Kein Soldatengesicht gleicht dem anderen.

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Für Qin Shihuangdi, der diese Armee bauen liess, war es ein Problem, dass damals die Geschichte Chinas nicht von Siegern geschrieben wurde, sondern von konfuzianischen Bürokraten. Seine Verachtung für den Konfuzius wurde so gross, dass er diese Lehre kurzerhand verbot. Alle konfuzianischen Texte wurden verbrannt und 460 der besten Gelehrten wurden lebendig begraben. Folglich ging der erste Kaiser Chinas als Tyrann in die Geschichte ein. Kein Wunder, musste er sich eine Armee bauen lassen, die seine Seele beschützen sollte. Doch er hat während seiner 36-jährigen Regentschaft, die er im zarten Alter von 13 Jahren antrat, einige bedeutende Leistungen erbracht. Als klassischer Erfolgsmensch schuf er, bevor er 40 Jahre alt war, eine effiziente, zentralistische Regierung, die späteren Dynastien als Vorbild galt. Er vereinheitlichte Masseinheiten, die Währung und vor allem die Schriftsprache. Er liess 6400 km Strassen und Kanäle bauen und eroberte 6 Königreiche. Dass Qin dazu hunderttausende von Menschen versklavte, verschaffte ihm endgültig einen Ruf, der so finster ist, wie das Schwarz, das er zur offiziellen Farbe seines Hofes erkor.
Auf der Rückfahrt nach Xi’an, machten wir Halt, beim grössten Wahrzeichen der Stadt, der grossen Wildgans-Pagode.

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Das viereckige Bauwerk wurde etwa 650 n. Chr. gebaut, um buddhistische Sutren aufzubewahren, die ein Mönch, namens Xuan Zang aus Indien mitgebracht hatte. Mönch Xuan Zang verbrachte die letzten 19 Jahre seines Lebens damit, die Schriften zu übersetzen.

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Viele dieser Übersetzungen werden heute noch gebraucht.
Den dritten Tag in Xi’an widmeten wir dem Hua Shan Gebirge. Die nähere Umgebung von Xi’an ist topfeben, also heisst es wiederum einige Autokilometer zurückzulegen, bis Gebirge in Sicht ist. Die Dimensionen sind anders in China. Die Granitkuppen des Hua Shan-Gebirges wurden früher von Einsiedlern und Weisen bewohnt. Der Berg ist einer der fünf heiligen Berge des Taoismus. So heilig scheint der Berg nicht mehr zu sein, nur ein kleiner Tempel steht versteckt zwischen den kleinen Gasthäusern und Ruhe zum Meditieren findet man kaum mehr. Unten im Tal, mitten in der Ebene, steht der Ticketschalter, wo man sich Karten für den Bus und den Eintritt für den Berg kaufen kann. So wird man schon um einige Yuans erleichtert. Anschliessend folgt eine ca. 20-minütige Busfahrt durch die chinesische „Schöllenen“ zur Talstation der Gondelbahn (zwischen Busstation und Talstation wieder die üblichen Souvenirläden). Dort wird man nochmals um einige Yuans erleichtert. Nach ca. 10-minütiger Gondelfahrt zwischen den steilen Felswänden hinauf,

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erreicht man den Nordgipfel.

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Alles ist eine sehr steile Angelegenheit, doch die Landschaft ist atemberaubend und was die Chinesen gebaut haben, ist bemerkenswert. Tausende von Treppen wurden da in den Fels gehauen oder an den Fels geklebt. 4 Stunden würde der schweisstreibende Aufstieg zu Fuss dauern, weitere 4 Stunden der Rundgang auf der Höhe über die 5 Gipfel.

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An Gasthöfen und kleinen Imbissbuden fehlt es nicht, aber auch hier, wie schon auf dem Huang Shan, muss jede Mineralwasserflasche von Menschen zu den Raststätten getragen werden.
In einer lauschigen „Gartenlaube“ schlürften wir eine Nudelsuppe, genossen die herrliche Aussicht und hatten unseren Spass mit zwei Hongkong-Chinesen. Sie amüsierten sich göttlich ab unserem Survival-Guide, besonders an der Rubrik „ Machen sie es günstiger; machen sie es noch günstiger“.

Kurz vor Mittag verliessen wir Hangzhou bei 32° C und sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Mit dem Auto wurden wir ins ca. 200 km entfernte Tunxi gebracht, den Ausgangspunkt für den Besuch der vielgerühmten gelben Berge in der Provinz Anhui. Dies ist eine sehr liebliche Provinz mit vielen Teeplantagen und Landwirtschaft. Kurz vor dem Ziel machten wir Halt, um eines der Huizou-Dörfer und einen Bonsai -Garten zu besuchen. Huizou ist die Heimat höchst erfolgreicher Kaufleute, die mit Holz, Tee und Salz handelten und im ganzen Reich eine Reihe lukrativer Pfandhäuser betrieben. Das hatte zwei Seiten. Einerseits waren die Bewohner meist ziemlich reich, aber sie waren auch immer irgendwo unterwegs. Mit 13 Jahren wurden viele junge Männer vor die Türe gesetzt, um anderswo Geschäfte zu machen. Meist kehrten sie nur einmal im Jahr nach Hause zurück. Statt ihre Familien zu entwurzeln oder sich dem angestammten Clan gegenüber respektlos zu zeigen, blieben diese Kaufleute mit ihren Heimatstädten verbunden, die sie kaum mehr zu Gesicht bekamen. Ihre Gewinne investierten sie in den Bau luxuriösen Residenzen und in den Bau von einigen der grössten Ahnenhallen Chinas. Vor diesem Hintergrund gehören die Huizou Dörfer , die über das ganze südliche Anhui verstreut sind, zu den schönsten des Landes, wozu auch die Tatsache beiträgt, dass sie häufig inmitten einer üppigen Landschaft, voller Hügel mit Bambus- und Kiefernwälder liegen. Im Hintergrund verlaufen die Silhouetten, der verschiedenen Hügelzüge.

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Der Bonsai-Garten gehört zu einem Privatbesitz. Ein reicher Mann hat ihn für seine Frau bauen lassen. Die Frau wäre jeweils gerne an den Westsee gefahren, weil aber die Entfernung für sie zu gross war, liess der Mann auf seinem Landstück einen Miniatur-Westsee bauen,

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umgeben von hunderten, wundervollen Bonsais.

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In dieser Umgebung stehen keine Industrieanlagen und die gute Luft liess uns tief durchatmen. Wir sind eben doch Landeier und fühlen uns in den Häuserschluchten bald einmal eingeengt.

Am nächsten Tag stand der Besuch des Huang Shan (gelbes Gebirge) auf dem Programm. Die Wetteraussichten waren nicht gerade ideal für den Aufstieg auf 1800 m, auf den schönsten Berg Chinas. Aber das Wetter können wir nun einmal nicht ändern. Wasserdicht ausgerüstet, fuhren wir während 1 Stunde zur Seilbahnstation, von dort mit der Gondelbahn auf ca. 1600 m. Im dichten Nebel und einmal mehr bei strömendem Regen kamen wir oben an. Der Besuch des Berges bei Regen und Nebel lohnt sich nur schon, um zu sehen, wie die Chinesen zu Berge gehen. Jeder Bergführer bei uns zuhause bekäme Herzkrämpfe. Die Chinesen kennen keine Gore-Tex Kleider oder Wanderschuhe. Bei Regenwetter kaufen sie an der Seilbahnstation dünne Plastikjacken- und Hosen, über die feinen Schühchen ziehen sie ebenfalls eine Plastikhaut.

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Natürlich kann man die Bergwege auch nicht mit unseren vergleichen, hier werden Autobahnen gebaut, damit man in der Hochsaison dem Ansturm gerecht wird.

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Im dichten Nebel waren wir jedenfalls froh, einen Führer dabei zu haben, wir hätten uns nicht orientieren können. Wir besuchten all die verschiedenen, bestens ausgebauten Aussichtspunkte und er erklärte uns, hier würden sie diese Felsformation sehen, dort jene. Wir sahen aber nur Bäume, sonst nichts.

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Unser junger Guide schien jedenfalls nicht unglücklich zu sein, als wir zurück ins Hotel wollten. Es schüttete die ganze Nacht, so konnten wir uns am Morgen um 5:30 h ohne schlechtes Gewissen im Bett nochmals drehen, der viel beschriebene Sonnenaufgang blieb uns ebenfalls vergönnt. So müssen wir uns selbst vorstellen, wie die Felsformationen mit den vielsagenden Namen, wie „Gipfel des Beginns des Glaubens“, „Pinsel, an dem eine Blume blüht“ oder „Gipfel der himmlischen Hauptstadt“ aussehen, wenn Nebelschwaden sie umschleichen. Erst als wir mit der Gondelbahn wieder talwärts fuhren, lichtete sich der Nebel in etwa auf halber Höhe und wir konnten uns kurz vorstellen, wie magisch das gelbe Gebirge wirkt.

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Auf dem Berg stehen einige Hotels, verbunden mit breiten Wegen und vielen Treppen,
auf und ab. So können die Hotels nicht mit Autos, oder anderen Fahrzeugen beliefert werden. Die Gondelbahn bringt die Lebensmittel etc. nach oben, anschliessend wird alles mit Menschenkraft verteilt. Etwa 1000 Männer sind täglich im Einsatz. 80 – 100 kg binden sie gleichmässig, in zwei Teilen verteilt, an ein Stecken, den sie über die Schulter legen.

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Für diese harte Arbeit erhalten sie 2,8 Yuan (1 Yuan = ca. 16 Rappen) pro Kilogramm. Auf dem Rückweg, wenn sie ihre schwere Last in den Hotels abgegeben haben, leeren sie all die Mülltonnen, die am Wegesrand stehen. Die Gesichter der Männer sind gezeichnet. Wir fragen uns, ob die junge Generation noch bereit sein wird, diese Arbeit zu erledigen.

Auf der Rückfahrt nach Tunxi besuchten wir Chengkan, ein weiteres Huizou-Dorf. Es ist ein lebendiges, aktives Dorf und bietet ein anderes Bild, als die anderen Museumsdörfer.

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Bauern laufen mit geschulterten Hacken durch den Ort, Teehändler wuchten Körbe mit frischgepflückten Teeblättern auf die Strasse, quakende Enten machen den Bach unsicher und in der Luft liegt der Duft von Stallmist – ein echtes Stück Leben im ländlichen China.

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In diesem Dorf steht der grösste Ahnentempel im südlichen China, ein massiver, hölzerner Komplex, mit mehreren Innenhöfen.

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In den Eingangsbalken sind 199 Pfingstrosenblüten geschnitzt.

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An den Wänden hängen viele Tafeln, mit Verhaltensregeln für die nächste Generation.

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Schade, in den Gassen liegt überall Unrat. Als ich unseren Führer darauf ansprach, antwortete er spontan, die werde am nächsten Morgen abgeholt. Wer’s glaubt!

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Es ist gut, ab und zu einen Führer zu haben, so erfahren wir doch noch einiges über die Traditionen, das Leben oder den Buddhismus in China, je nach Interessen des Guides. Wir sind aber auch immer wieder froh, wenn wir die guten Leute wieder loshaben, dann können wir alles etwas gemütlicher angehen. Der 23-jährige turnte mit uns auf dem Berg oben Treppen rauf und runter, bis uns manchmal der Atem fehlte und wir ihn wieder bändigen mussten. Wie ein „Heugümper“ hüpfte er mit uns durch die Gassen von Chengkan. Dafür haben wir einiges von ihm über die Traditionen erfahren. Auf unsere Frage, ob er als so junger Mann nicht einmal in ein Land gehen wolle, wo man Englisch spricht, für seine weitere berufliche Karriere, erklärte er uns, dass er eine Freundin habe, die er gerne heiraten möchte. Aber als Mann könne er dies erst tun, wenn er genug Geld gespart habe, um ihr eine Wohnung zu kaufen. Er wollte dann von uns wissen, wer bei uns das Sagen habe. Als wir ihm erklärten, dass wir die Entscheidungen meistens gemeinsam treffen, meinte er, seine Freundin entscheide alles, was die Familie betrifft, er alles, was ausser Hause entschieden werden müsse. Von diesen Traditionen haben wir auch in Shanghai von einem Vater eines 14-jährigen Sohnes erfahren. Er jammerte uns vor, erst müsse er für die Ausbildung des Sohnes Geld sparen, dieser möchte einmal gerne in Oxford oder Cambridge studieren, dann müsse er für seinen Sohn eine Wohnung kaufen, sollte dieser einmal Heiratspläne haben und schliesslich gehen die Hochzeitskosten sowie der Honeymoon ebenfalls zu Lasten des Vaters. Bei der Hochzeitsfeier dürfe man sich gar nicht knausrig zeigen, sonst verliere man das Gesicht gegenüber Freunden und Verwandten. Über die Geburt eines Sohnes könne man sich nur solange freuen, bis einem bewusst werde, welche Kosten auf den Vater zukommen werden. Ob diese Traditionen im modernen China weiter Bestand haben werden?

Eindrücke vom Etappenaugangsort Tunxi

Eindrücke vom Etappenaugangsort Tunxi

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Auf dem Bahnhof von Tunxi verabschiedeten wir uns von unserem jungen Heugümper und waren froh, wieder etwas langsamer gehen zu können. Die Bahnstrecke zwischen Tunxi und Nanjing ist nicht die Strecke, wo die komfortablen Hispeed- Züge eingesetzt werden. So mussten wir, obwohl während des Tages reisend, mit einem Liegewagen vorlieb nehmen. Geduldig warteten wir, bis das Tor geöffnet wurde, um den Bahnsteig zu betreten. Kaum war das Tor offen, rannten hunderte von Chinesen los, mit Säcken, Schachteln, Koffern und Taschen beladen, der Wagentüre des Zuges entgegen. Es sah aus, als wollen hunderte, vollbepackte Chinesen durch ein Nadelöhr rennen. Wir sahen bald ein, mit Anstand werden wir diesen Zug nie erreichen. Armin nahm den Kampf mit einer Frau auf, verlor ihn aber bitterlich. Der Bahnsteig war noch nicht angepasst für bequemes Einsteigen. Als wir endlich an der Reihe waren, mussten wir unser Gepäck über steile Stufen hinauf hieven, mit ungeduldigem Gedränge von hinten. Wir waren froh, als wir unsere reservierten Liegeplätze lebend und ohne grösseren Schaden erreichen konnten. Nach 5 ½ Stunden Fahrt erreichten wir bei strahlendem Sonnenschein Nanjing. Obwohl diese Stadt auch über 3,4 Millionen Einwohner hat, war sie uns gleich sympathisch. Wir wurden nicht gleich von den hohen Hochhäusern erdrückt und in den Strassen spenden riesige Platanen Schatten und verleihen der Stadt eine grüne Lunge.

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Diese berühmte Universitätsstadt soll zu den angenehmeren und wohlhabenderen Städten China gehören und liegt in einer schönen Landschaft aus Seen, Flüssen und waldreichen Parks. Die Stadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Sie diente in der Vergangenheit zwei Mal als Hauptstadt. Das erste Mal im 14. – 17. Jahrhundert, das zweite Mal anfangs des 20. Jahrhunderts bei der Gründung der Volksrepublik China. Es gibt aber auch eine dunkle Seite im Geschichtsbuch der Stadt. Hier kam es im Jahre 1937, während eines japanischen Angriffs auf China zu den schlimmsten Kriegsgreueltaten. Zwischen 200 000 – 300 000 Zivilisten wurden von den Japanern massakriert oder gezielt ermordet. 20 000 Frauen im Alter zwischen 11 – 76 Jahren wurden vergewaltigt. Frauen die sich wehrten oder Kinder, die störten, wurden brutal mit dem Bajonett niedergestochen. Heute erinnert noch eine Gedenkstätte an diese Geschehnisse.
Über dem östlichen Stadtrand erhebt sich der Berg Zijin. Es ist ein stark bewaldeter Park, in dem sich die meisten Sehenswürdigkeiten Nanjings liegen, so zum Beispiel das Mausoleum des Dr. Sun Yatsens. Dr. Sun gilt bei den Kommunisten als Vater des modernen Chinas. 1925 starb er in Beijing, es war aber sein Wunsch in Nanjing beigesetzt zu werden. Dabei dachte er wahrscheinlich eher an ein schlichtes Grabmal, als an das gewaltige Mausoleum im Ming-Stil, das ihm seine Nachfolger errichteten. 392 Stufen sind wir den Berg hinauf gestiegen, bis wir bei seiner Krypta angelangt waren.

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Unweit des Mausoleums steht der Tempel Linggu, eine Anlage aus der Ming-Zeit.

Figur aus dem Tempel

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Beachtlich ist die balkenlose Halle, die im 14. Jahrhundert mit Ziegeln und Steinen gebaut und ohne Balken gestützt wurde.

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Zu dieser Zeit wurde jeweils mit Holz gebaut. Wegen der Verknappung des Bauholzes mussten die Baumeister auf Ziegel und Steine zurückgreifen. Früher standen in dieser Halle hauptsächlich verschiedene Buddhas. In den 1930-er Jahren wurde die Halle in eine Gedenkstätte für die Gefallenen des Widerstandes gegen die Japaner umgewandelt. Gleich in der Nähe steht die farbenfrohe, 9-stöckige, 60 m hohe Linggu-Pagode. Sie wurde im Jahr 1933 als Erinnerung an die Toten der Kuonmingtan-Revolution errichtet.

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Um die schöne Aussicht über den Wald und die nähere Umgebung zu geniessen, sind wir nochmals 300 Stufen hinauf gestiegen.
Gleich um die Ecke, bei unserem Hotel, liegt der Konfuziustempel.

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Er war über einen Zeitraum von 1500 Jahren ein Zentrum konfuzianischer Studien. Da das Wetter bereits wieder in Regenschauer umgeschlagen hatte, war der Tempel ein geeignetes Ziel für uns. Als wir durch die verschiedenen Hallen gingen, hörten wir plötzlich aus einer grösseren Halle Musik. Da wir draussen ja nichts verpassten, setzten wir uns in die Bänke. Eine 5-köpfige Girl-Band spielte chinesischer Geige, chinesischer Laute und Bambusflöte, ansprechliche Musik.

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Leider dauerte das Konzert nur kurze Zeit und wir standen wieder im Regen.

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